Sonntag, 21.08.2005

Immer noch Sapecho, mittlerweile die dritte und vierte Woche

Tja, ich bin immer noch hier und werde wohl auch noch ein Weilchen bleiben. Da in den letzten beiden Wochen nicht viel passiert ist, werde ich mal ein bisschen was zum Hintergrund meiner Arbeit mit der Kakaokooperative "El Ceibo" erzählen.

El Ceibo arbeitet seit 1978 in der Region und ist eine Dachgenossenschaft von 37 Basiskooperativen (ca. 800 Familien), die alle unter anderem Kakao produzieren. Seit 1987 arbeitet El Ceibo im Bereich der Produktion und dem fairen Handel von Kakao aus biologischem Anbau und vermarktet diesen auch sehr erfolgreich in Europa, Japan und Nordamerika. Sie haben eine eigene Verarbeitungsfabrik in El Alto bei La Paz, die ich irgendwann auch nochmal besichtigen werde. Und El Ceibo hat eigene Berater, die die Bauern und Mitglieder der Genossenschaft im Anbau von Kakao unterstützen und beraten. Und diese Techniker werden auch vom DED unterstützt und teilweise ausgebildet. Seit 1995 im Rahmen eines Kurzzeiteinsatzes der Schweizer Ernst Götsch hier war und seine eigenen Erfahrungen aus Brasilien mit Agroforstsystemen eingebracht hat, werden diese Ideen und Systeme auch langsam aber kontinuierlich hier umgesetzt. Bei Agroforstsystemen geht es prinzipiell um den kombinierten Anbau vn Agrar- und Forstprodukten, in diesem Fall hier Kakao, Bananen, Citrus, Getreide usw. mit Schattenbäumen. Ziel ist eine Produktdiversifizierung für den Bauern, Erosionsverminderung und ein stabiler Humuskreislauf durch ständige Bodenbedeckung. Kakao als Schattenpflanze des hiesigen Amazonasregenwaldes ist wie geschaffen für solche Systeme. Und auch andere Pflanzen vertragen bzw. akzeptieren leichten Schatten, wenn sie einige Wochen im Jahr (meist vor der Blüte) Sonne bekommen. Das erreicht man einerseits durch laubabwerfende Arten (ja auch der anscheinend immergrüne Regenwald hat sowas) oder durch Rückschnitt der Bäume und Sträucher und der Verteilung der Biomasse auf dem Boden. Und El Ceibo hat eine eigene Samenbank und Baumschulen, in denen sie sowohl verschiedene Kakaosorten als auch Forstbäume anziehen, um sie an die Bauern zu verkaufen. Und hier soll eine meiner Aufgaben ansetzen. Im Moment werden die Samen noch völlig ohne Kontrolle und Information über die Herkunft und Veranlagund der Samenbäume gesammelt und vermarktet. Um die bereits existierenden Normen und Gesetze zu erfüllen (und natürlich auch um ein besseres Produkt zu einem höheren Preis zu vermarkten) sollen jetzt die Samenbäume per GPS und GIS registriert, Qualitätseinschätzungen gemacht werden und richtige Samenplantagen mit Stecklingen von ausgesuchten Samenbäumen angelegt werden, wobei letzteres natürlich einige Jahre dauert.

Im Moment baut El Ceibo auch ein Sägewerk mit angschlossener Tischlerei auf, um ähnlich wie beim Kakao die Wertschöpfungskette zu den Bauern und in die Region zu holen. Es gibt hier wunderschöne Hölzer (die noch kaum auf dem Weltmarkt gefragt sind) und auch gute Möbeltischler in der Region, die sehr schöne Sachen herstellen. In diesem Bereich arbeitet aber mehr Gerd, mein Mentor, da er auch mal Tischler gelernt hat. Aber es wird auch hier über eine Zertifizierung nachgedacht und dazu gehören auch vernünftige Nutzungspläne der kleinen Parzellen der Bauern. Und bei deren Erstellung soll ich mitwirken und die Techniker bei der Anwendung von GIS (geographische Informationssysteme) unterstützen bzw. evtl. GIS-Kurse durchführen. Und das bei meinen rudimentären Kenntnissen, die einige Jahre zurück liegen. Das kann noch interessant im Sinne von anstrengendem Selbststudium werden.

Und dann war noch helle Aufregung, als es neben El Ceibo auf einem ungenutzten Grundstück gebrannt hat. Im Nachbargrundstück haben einige Leute mal wieder ihren Müll verbrannt und abgesehen davon, das es seit Wochen nicht geregnet hat, kam auch noch ein bisschen Wind auf und natürlich stand dann ganz schnell die Wiese in Flammen. Und der Wind drückte das Feuer in Richtung des El Ceibo Geländes, auf dem natürlich ganz am Rand noch ein Haus mit der traditionellen Palmendachdeckung steht, alles knochentrocken. Erst haben Armin und ich uns nur gewundert, was für ein Knistern das ist, aber ziemlich schnell war klar, das das Feuer bis zum Zaun kommen wird. Nebenbei gibt es keine Feuerwehr im Dorf und die Wasserleitung war auch schon seit 2 Tagen trocken und unser Tank fast leer. Wir haben dann mit einigen Ceibolitos das gröbste trockene Gras und einige abgestorbene Büsche am Zaun weggekratzt, um dem Feuer dort die Nahrung zu nehmen. Hat auch funktioniert, mit ein bisschen Unterstützung von ca. 5 Eimern Wasser (mehr gab es nicht) und einigen Zweigen, die wir zum Ausschlagen der Flammen genutzt haben. Und drumherum standen die Leute und haben gegafft. Und irgendwie scheint es relativ wenig Leute gestört zu haben, das es überhaupt brennt. Und das fast das Haus abgefackelt wäre, hat auch fast niemanden interessiert. Die Leute hier brennen irgendwie ständig irgendwas ab, sei es der Müll oder ihre Felder bzw. Parzellen, um die nächste Kultur nach der Brache vorzubereiten. Ich dachte immer, ich sei ein schlimmer Pyromane, aber hier sind es alle. Anbei ein paar Bilder:

die schwelenden Termitennester als Reste des Feuers bei El Ceibo.

Smogglocke über Palos Blancos, dem Nachbardorf. Alles was irgendwie brennt, wird normalerweise abgefackelt.

Samen von Zarzaparilla (Ceiba samauma), könnte auch Affenhirn auf Kakaoschalen sein, oder ?

Letztes Wochenende wurde in einem Nachbardorf der Geburtstag gefeiert, bei dem wir mit einigen anderen Deutschen, die ich im Outdoorforum kennengelernt habe, waren. Dabei wurde erstmal die Schutzheilige an der Spitze der Prozession durchs Dorf getragen und dahinter waren ganz viele Tanzgruppen, die einige traditionelle Tänze aus dem Hochland gezeigt haben. Das waren teilweise die selben Tänze wie bei den Nationalfeierlichkeiten, nur diesmal noch halbwegs bei Tageslicht und mit sehr interessanten Kostümen. Und anschließend wurde diese Heilige vor dem Bürgermeisteramt postiert und dann sind nochmal alle Tanzgruppen einzeln an ihr und natürlich am Publikum vorbeimarschiert. War sehr interessant, auch wenn die immer die selbe Musik gespielt haben und das in einer Ohren betäubenden Lautstärke.

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einfach einige Impressionen der Kostüme und Tänze auf dem Dorffest. Die Kostüme wiegen teilweise an die 40-50kg und die Leute tanzen dort einige Stunden ununterbrochen.

Dienstag, 13.09.2005

lang ists her und es ist doch einiges passiert hier in Sapecho

Tja, ich weiss, ich habe lange nichts hier geschrieben, aber irgendwie hatte ich keine Zeit, kein Nerv oder was weiß ich. Naja, dafür habe ich jetzt ein wenig Muße, da bei uns gerade mal wieder total beschissenes Wetter ist, bei dem man kaum rauswill. Es herrscht gerade der sogenannte Surrazo, ein kalter Wind, der kalte Luft aus der Antarktis heranführt. Und Regen. Sonntag nachmittag hat es mit einem fetten Gewitter und Sturm angefangen und seitdem regnet es eigentlich ständig. In Palos Blancos, dem nächsten Dorf hat es sogar wohl einige Dächer abgedeckt. Und unsere Wäsche wird mal wieder nicht trocken. Dazu Temperaturen um die 17°C (gefühlte 10°C). Ich dachte, ich hätte hier tropische Temperaturen gebucht und nicht so eine Arschkälte. Die kenne ich so nur aus La Paz. Naja, egal, ich versuche mal, ein bisschen der Reihe nach zu erzählen.

Vor 4 Wochen war die tropische Welt hier noch fast in Ordnung. Es war warm, die Sonne schien und alles war fast perfekt. Wie gesagt, fast: Es war zu warm, zu trocken und zu sonnig. Es hatte nämlich seit 3 Monaten nicht wirklich geregnet und die Bauern haben echt Probleme bekommen, das ihnen die Pflanzen vertrocknen. Nicht nur irgendwelche frisch gepflanzten Bäumchen ohne wirklich tiefreichende Wurzeln, sondern teilweise 27 Jahre alte Kakaopflanzen. Und wenn einem Bauern hier 1/3 seines Kakaobestandes eingehen, dann ist das schon ein ziemlicher Einschnitt, zumal es bei Kakao 5-6 Jahre dauert, bis die Neupflanzungen Früchte tragen. Es gibt nämlich normal keine Ernteausfallhilfen der EU oder irgendwelcher Versicherungen. Und der Staat hat eigentlich auch nicht wirklich Geld, um zu helfen. Naja, jedenfalls haben sich einige Leute von El Ceibo und anderen Organisationen aufgerafft, um das ganze Dilemma zu dokumentieren und dann nach La Paz zu fahren, um staatliche Hilfe zu erbitten. Sowohl Soforthilfe, als auch langfristige Maßnahmen. Langfristige Maßnahmen wären in meinen Augen (und auch in den Augen einiger hiesiger schlauer Leute, die verstanden haben, was die Natur uns mit solchen Trockenproblemen zeigt) vor allem ein Stop der Rodungen an den Einzugsgebieten der kleinen Bäche und Flüsse hier an den Hängen. Mittelfristig wollen sie Bewässerungssysteme installieren, aber auch dafür braucht man das Wasser der oben erwähnten Einzugsgebiete. Ohne Bewaldung fließt alles Wasser nach einem Regen sofort oberflächlich ab. Und einen Tag später sind die Bäche wieder trocken. Die Vegetation allgemein und Wälder im besonderen speichern das Wasser jedoch wie ein Schwamm und geben es sozusagen zeitverzögert und ohne Hochwasser an die Bäche ab. Dauerhaft. Soweit die Theorie (haben wir ja 2002 in Dresden auch hinreichend gelernt). Und leider im Moment auch die Praxis. Es hat wie gesagt ewig nicht geregnet, viele Bäche, die laut Aussagen der Anwohner immer Wasser geführt haben (auch zur Trinkwasserversorgung), sind ausgetrocknet und der Boden natürlich auch. Nicht nur Kakao ist betroffen, auch Bananen, Zitrus, Papaya, Trinkwasserleitungen, selbst der Wald sieht übelst trocken aus. Ich war mit bei der Dokumentation draußen, habe mich auch mit einigen Bauern und den Tecnicos und Ingenieuren von Ceibo unterhalten. Erstere jammern nur, zweitere denken auch über Ursachen und mögliche Abwendung des ganzen für die Zukunft nach. Ich kenne Afrika nur aus dem Fernsehen, aber ich musste mich echt an afrikanische Savanne erinnern, nicht an feucht-tropische Klimagebiete. Genug der Worte, hier einige Fotos:

11 Jahre alte Kakaopflanzen, komplett tot.

Man beachte die eingerollten Blätter der Orangen. Die Pflanze zieht zwar auch noch Wasser aus den Früchten, die auch schön süß sind, aber kaum noch Saft haben und nicht mehr verkaufbar sind.

In Litoral ist die Trinkwasserleitung trocken, die Leute müssen am Fluss Wasser zum Waschen, Kochen und Trinken holen. Was in dem Wasser für Keine sind, will ich lieber nicht wissen. Es reicht, das ich weiß, wie der Rio La Paz aussieht, einer der Zuflüsse und oben in La Paz eine stinkende, eklige Kloake.

Don Arturo hat 2 ha 27 Jahre alte Kakaopflanzen fast komplett verloren. Es scheint, als ob die alten Bäume noch etwas Reserven haben und evtl. wieder austreiben. Die Videoaufzeichnungen sind für die Bittstellungen in La Paz.

Und es gibt doch noch Hoffnung. Multi-Estrato-Parzelle bei Placido Alarve und seiner Frau. Einer der Vorreiter bei den Agroforstparzellen und man sieht, das es einfach bedeutend grüner aussieht. Es gibt mittendrin kleine Kakaopflänzchen, die nicht vertrocknet sind, obwohl hre Wurzeln nicht sehr tief reichen. Durch die Interaktion der Pflanzen und das spezielle Mikroklima des Bestandes haben diese Parzellen anscheinend einen weiteren Vorteil gegenüber den normalen Monokulturen. Und die gute Frau hat noch andere Produkte, die sie verkaufen kann, wenn der Kakao doch eingeht. Aber darüber schreib ich später noch ausführlicher.

Und selbst in der Schönheit des Sonnenunterganges am Alto Beni lauert Böses. Die Sonne scheint so rot, weil sehr viel Staub und Rauch aus den tagtäglich brennenden Feldern oder Müllhaufen in der Luft liegt. Dem guten Gerd hat es fast eine Lungenentzündung beschert, zumindest eine sehr hartnäckige und krasse Bronchitis.

Am 3.Tag der Dokumentationen hat es zumindest hier in Sapecho mal wieder geregnet, einen halben Tag lang. Den meisten Pflanzen hat es sichtbar gut getan, einigen hat es leider gar nicht mehr geholfen. Die Bittsteller sind heute (2 Wochen später als der geplante Termin) dann endlich nach La Paz gefahren, mal sehen, was dabei rauskommt.

In dieser Woche waren wir auch zum ersten Mal am Fluss baden. Der hat immer noch ziemlich Strömung, obwohl er sehr wenig Wasser führt. Und es ist der selbe Fluss, von dem ich weiter oben nicht wissen wollte, was alles drin schwimmt. Naja, ich habe keinen Ausschlag bekommen und weggeätzt hat es mir auch nix. Eine Nacht haben wir mit Malifu auch am Fluss geschlafen und haben uns dann am nächsten Morgen ordentlich zerstechen lassen. Sie ist jetzt leider wieder in Europa, und ihre blonden Rastas fehlen hier ein bisschen im Dorfbild und in unserer bescheidenen Hütte. Naja, sie kommt hoffentlich im Februar wieder. Wir sind dann auch zum Wochenende nach La Paz gefahren, um einige Kollegen zu treffen, ich wollte mal wieder mit einem richtigen Internetzugang einige Sachen recherchieren (und bis deshalb nicht dazu gekommen, hier was zu schreiben) und für den Rückweg war der Choro-Trail geplant. Armin hat es in der Nacht vor der Reise ausgeschert, er hat dann auf der Fahrt alle 2h gekotzt. Das ganze Wochenende bzw. die kommende Woche lief für uns 3 (Gerd, Armin und mich) nicht so toll. Erst hat Armin gekotzt, dann haben sie Gerd erst die Brieftasche geklaut, später noch das Auto aufgebrochen und letztendlich hat er sich diese beschissene Brochitis dort geholt, und als letzten hat es mich bei der Wanderung auch mit Magenproblemen erwischt. Zur Wanderung hatten wir uns noch mit einigen Freunden von Franziska, unserer NFP-Kollegin aus Rurrenabaque getroffen und sind nach der Regionaltagung und noch einem Tag Akklimatisierung in 3 Tagen den Choro-Trail vom La Cumbre-Pass nach Chairo bei Coroico gelaufen. War ein sehr schöner Weg, auch wenn man teilweise wegen des Nebels so gut wie gar nix gesehen hat. Das ständige abwärts hat auch ziemlich auf die Knie gedrückt. Und mein Magen hat wie gesagt nicht so wirklich gut mitgespielt, zum Glück konnte ich alle Aufwallungen unterdrücken. Weiter unten waren leider viele abgebrannte Flächen, von denen wir gehört haben, das irgendwelche Studenten die mutwillig oder aus Spaß angezündet haben. Zwei von denen sollen jetzt im Gefängniss sitzen, mal sehen, was mit denen passiert. In Coroico haben wir es uns es dann in einem netten Hostel am Pool gut gehen lassen, leider viel zu kurz, da mal wieder Gerüchte über bloqueos die Runde gemacht haben und Franziskas Leute am Mittwoch zurück geflogen sind.

oben am La Cumbre-Paß (4700m) gehts los. Hier ist Caro am Start.

Der höchste Punkt auf der Strecke. Wenn man 5 Tage La Paz hinter sich hat, ist man sogar sowas wie akklimatisiert und keucht kaum bei der Höhe.

kurze Pause nach der Paßhöhe, hier mal wieder die beiden Caros

Die Mauern dieser Hohlwege sind schon von den Inkas angelegt worden.

Ewige Nebel, zum Glück aus dem warmen Amazonasbecken.

Gespenster im Nebel

kurz war der Himmel zu sehen, dann zogen leider schon die nächsten Wolken heran

verbrannte Erde, leider fast eine komplette Nachmittagstrecke

nur der gute Adlerfarn wächst als erstes wieder, wie überall auf der Welt

Ich bin dann am Sonntag mit Franziska, die ja weiter nach Rurrenabaque musste, 4h im offenen, staubigen Lkw und 3h Bus nach Sapecho gefahren, was meinem Magen nicht wirklich gut getan hat. Jedenfalls habe ich die nächsten 2 Tage gut rumgekotzt. Und dann ging wieder die ganz normale Arbeit hier in Sapecho weiter. Ich war mal wieder draußen gewesen, leider noch nicht wieder zum Baumsteigen. Sondern auf einem Stück Land, das sich El Ceibo hier von einem alten Schweizer gekauft hat, der zu alt ist, um das Land selbst zu bewirtschaften und seine Söhne wollen es nicht bewirtschaften. Wir waren mit den Tecnicos draussen, um zusammen eine Übersicht über das Grundstück zu bekommen. Wir haben uns gruppenweise streng nach Kompass durchs Gebüsch geschlagen (wirklich mit der Machete durchgeschlagen, das war tierisch anstrengend) und haben bei jedem Wechsel der Vegetation einen Punkt im GPS markiert. Diese Punkte habe ich jetzt in den letzten Tagen zu sowas ähnlichem wie einer Karte zusammengebastelt, die wir demnächst nochmal im Feld verbessern werden, da halt nur die Vegetation entlang den Haupthimmelsrichtungen, unseren Linien, bekannt ist. Am letzten Wochenende war noch die Übergabe- und Einweihungsfeier. Da war richtig was los als wir angekommen sind. Feuer brannten, die Band spielte bereits, eine Kuh war schon geschlachtet und wurde gerade zerteilt und die Uebergabeverhandlungen waren im vollen Gange. Es gab noch Streitigkeiten mit Nachbarn um die Grenze des Grundstücks, die waren teilweise recht hitzig. Und natuerlich war auch ein Fussballspiel angesetzt. Als wir gerade am Gewinnen waren, hat es angefangen zu regnen, erst ganz seicht und dann mit einem Male richtig doll, so das alle nur noch unter die Dächer gestürmt sind. Zwischendurch kam auch mal Hagel runter, was hier eine ziemliche Attraktion ist. Und in der ewigen Zeit des Wartens wurde auch das Essen gar, das vorher in einer großen Grube zusammen mit Holzglut und heißen Steinen verbuddelt war. Fleisch, Kartoffeln, Bananen und Kamote. Das war echt so ziemlich das leckerste, was ich bis jetzt hier gegessen habe. Normalerweise ist das Fleisch immer übelst zäh und wir überlegen schon, wie wir das künftig weich kriegen (hat irgend jemand gute Marinaderezepte zum Fleisch weich bekommen?). Aber das Fleisch aus dieser Grube war richtig zart, dazu dermassen gut gewürzt, wow. In einer kleinen Regenpause sind wir dann wieder nach Hause gefahren und seit dieser Pause hat es eigentlich ständig geregnet, bis jetzt (mittlerweile Mittwoch). Unsere Wäsche auf der Leine ist natürlich nicht trocken geworden und müffelt jetzt so leicht der nächsten Wäsche entgegen. Tja, noch kurz ein Bild und dann starte ich wieder die Experimente, meinen Laptop ans Netz zu bekommen, um das ganze zu übertragen. Grüße erstmal nach Dtl.

im Vordergrund Camote, daneben Kochbananen, und dahinter der große Fleischtopf, unten sieht man noch einige Kartoffeln. Sehr lecker.

Und natürlich noch ein Tänzchen zur Feier des Tages. Mit Panflöten-Live-Band aus dem Nachbardorf.

Montag, 28.11.2005

Einige Politische Hintergrundinfos zu Bolivien

Oje, ist das lange her, das ich was hier reingestellt habe. Ich muss mich erstmal wieder reinfinden, wie ich die ganzen Formatierungen usw. gemacht habe. Aber naja, ich habe einiges zu erzählen.

In den letzten Wochen habe ich mal etwas aufmerksamer die hiesige Presse verfolgt, und was man so liest, lässt einen gleich an die nächste Revolution oder Umsturz denken. Aber der Reihe nach und vielleicht am Anfang die Zusammenfassung:

1.) Die politische Klasse ist absolut korrupt, nur am eigenen Geldbeutel interessiert und die Belange der unteren sozialen Schichten sind ihr absolut egal.

2.) Fast jeder, der irgendwie an irgendeine Form von Macht kommt, bereichert sich genauso, weil er weiß, das er nur x Monate dazu hat. Das schließt auch viele der sog. kleinen Leute ein, die in irgendwelchen Organisationen, Verbänden, usw. arbeiten.

So, und nun die Details. Bloß, wo soll ich anfangen. Vielleicht mit einem Gesetzesvorschlag, der meine Rechts- und Gerechtigkeitsgläubigkeit auf äußerste erschüttert hat. Da haben doch einige der lieben Parlamentarier (quer durch fast alle Parteien) einen Vorschlag eingebracht, 25.000 illegal eingeführte (sprich geschmuggelte) oder geklaute Autos, die im Gewahrsam der Polizei- und Zollbehörden sind, per Gesetzestext zu legalisieren. Das ist doch absolut unfassbar. Der bolivianische Staat, der im Prinzip bankrott ist (weil fast niemand Steuern zahlt) soll auch noch auf Zoll- bzw- Versteigerungseinnahmen in Millionenhöhe verzichten, nur weil einige Parlamentarier der Meinung sind (oder entsprechend dafür bezahlt wurden), das es toll ist, Autos illegal einzuführen. Es gab daraufhin einen Aufschrei der Rechtgläubigen (ja, es gibt sie noch) und der Vorschlag wurde zum Glück abgeschmettert. Was wiederum eine Organisation dieser Autoschmuggler (es gibt hier für alles eine Organisation oder Verband oder ähnliches) dazu veranlasst hat, mit bloqueos zu drohen und auch einige zu veranstalten. Als Hintergrundinformation: Ein bloqueo ist eine Straßensperre, die fast jedermann mal eben errichtet, wenn ihm irgendetwas mit der Regierungsarbeit nicht passt. Das beinhaltet auch Bürgermeister, die meinen, ihre Kommune sei bei der Verteilung der Steuereinnahmen zu kurz gekommen, oder die Gewerkschaft der Schulbusfahrer, die zum TÜV sollen, aber natürlich nicht wollen, weil das ja Geld kostet. Da bei den Unruhen 2003 das ganze auch mit Demos und bloqueos angefangen hat, es dann bei der Auflösung (bzw. der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols) dieser allerdings zu Toten kam, ist die Polizei heute absolut vorsichtig bei der Auflösung dieser bzw. macht gar nichts.

So, damit kommen wir zum nächsten Punkt. Ständig gibt es irgendwelche bloqueos, die den Staat und seine Wirtschaft und damit alle schädigen. Die Bauern z.B. können ihre Produkte nicht zum Markt bringen, damit natürlich nichts verkaufen und wenn sie Pech haben, verdirbt auch noch die Ware, z.B. frisches Obst und Gemüse. Die Städter haben nichts zu essen, weil die Lkw's mit Obst und Gemüse nicht in die Stadt kommen. Gas, Benzin und Diesel sind auch nach spätestens 2 Tagen knapp, so das insgesamt die gesamte Wirtschaft lahm liegt. Die armen Touris sitzen in irgendwelchen Hotels fest und verpassen ihre teuren Flüge und erzählen danach zu Hause, das alles Scheiße war und niemand will mehr in dieses wunderschöne Land kommen (uih, das mach ich auch gerade) Es gibt zwar immer Schleichwege oder nachts gehen die Leute, die die bloqueos veranstalten auch meist nach Hause, aber das sind halt alles Zusatzkosten, die dem Verbraucher auf den Preis geschlagen werden. Und es trifft halt nicht den reichen Politker, der kann sich die erhöhten Preise leisten. Nein, es trifft den kleinen Mann, der sich ums doppelte teuerer Lebensmittel nicht leisten kann, oder halt den BAuern, des Ware auf der Straße verdirbt. Ganz aktuell in den letzten Wochen war bloqueos mit leeren Gasflaschen, weil es kaum noch Gas zu kaufen gab. Warum es in einem Land, das die zweitgrößten Erdgasvorkommen Südamerikas besitzt, zu Engpässen in diesem Bereich kommt, hat mehrere Hintergründe. Erstens gehören die Abfüllwerke irgendwelchen großen internationalen Firmen, die auch langfristige Verträge mit den Nachbarstaaten haben und diese natürlich bedienen. Bzw. die Abfüllwerke werden nur sporadische beliefert. Einer anderer Grund, warum die nicht soviel produzieren, wie gebraucht wird, ist eine geplante Anhebung der Steuern für diese Firmen, weil es so ziemlich die einzigen Steuereinnahmen des bol. Staates sind, die stetig fließen. Da haben diese Firmen aus Protest die Produktion von Flaschengas runtergefahren. Ein anderer nicht unwichtiger Punkt für den Engpass ist der Schmuggel. Täglich wurden ca. 9.000 Flaschen illegal nach Peru gebracht (der tägliche Bedarf von La Paz beträgt ca. 30.000 Flaschen) und dort für den dreifachen Preis verkauft. Hier kostet die Füllung subventionierte 3 Euro, in Peru bis zu 9 Euro. Aber das waren nicht bloß die großen bösen Firmen, sondern auch der berühmte kleine und etwas größere Mann, der sich ein kleines Zubrot verdienen will. Also wurde erstens der sowieso schon bankrotte bolivianische Staat um die Subventionen beklaut und zweitens die arme Hausfrau um ihr Gas für die Küche, was zu Zeitungsartikeln führte, in denen geschrieben wurde, das der Haussegen schief hängt. Was auch wahr ist, denn viele der durchschnittlichen bolivianischen Männer hat noch nicht viel von der Gleichheit der Frau gehört oder das man diese nicht schlagen soll. Gewalt in der Familie - Ein ernstes Problem in Bolivien, aber außer dieser Aussage kann ich nicht viel dazu sagen. Was macht also der Durchschnittsbolivianer in La Paz, der kein Gas für die Küche oder das illegal auf Gas umgebaute Auto hat oder gar den Schmuggel hat? Er veranstaltet einen bloqueo, um die Liefer-Lkw für die Flaschen abzufangen und die Fahrer zu zwingen, ihm und nicht der Bevölkerung am Bestimmungsort (z.B. Sapecho) das Gas in Flaschen zu verkaufen. Es gab also hier in Sapecho ca. 2 Wochen kein Gas. Nachdem die Lkw's jetzt mit Polizeischutz an ihre Bestimmungsorte fahren und die Grenzkontrollen verstärkt bzw. an einigen Orten überhaupt erstmal eingeführt wurden, klappt es wieder mit der Gasversorgung. Um es zu wiederholen: Der normale Bolivianer ist nur an sich selbst interessiert, ob der Nachbar krepiert, interessiert ihn nicht die Bohne.

Ein weiterer, immer sehr interessanter Abschnitt in der Zeitung ist eine Liste mit säumigen Schuldnern. Da kommen dann auch oft Regierungstellen vor, z.B. das Vizeministerium für Wirtschaft, die Armee, einige Parteien, Universitäten und natürlich auch Privatpersonen. Wie gesagt, der bolivianische Staat ist praktisch bankrott und wird nur durch internationale Finanzspritzen am Leben erhalten. Aber wieso ist er bankrott? Misswirtschaft, Korruption, Vetternwirtschaft, Nichtbezahlung von Steuern usw. heißen die Gründe. Wenn man als Gringo z.B. Mehrwertsteuer zahlen will und nach einer Rechnung fragt, auf der diese ausgewiesen werden muss, dann erhält man erstmal ungläubiges Blicke und dann irgendwelche Ausreden, warum der Quittungsblock gerade nicht da ist.

Oje, da habe ich ja ganz schön viel schlechtes über Bolivien geschrieben. Ich hoffe nicht, das der geneigte Leser jetzt evtl. Reisepläne verschiebt oder in andere Länder verlegt, nur weil ich hier soviel schlechtes schreibe. Denn trotz der ganzen Misstände ist dieses Land wunderschön, hat ein sehr reiches Kulturerbe, hier wohnen nette Menschen und die Sonne scheint auch hier öfter als man denkt. Und damit man nach dem ganzen Getexte auch mal wieder was schönes sieht, zwischendurch ein paar schöne Landschaftsfotos:

Das ist der Rio Alto Beni, der vor unserer Haustür langfließt, hier allerdings in Palos Blancos, dem nächsten Städtchen

der werte Kollege Armin

ich hab doch noch ein negatives Bild: illegal geschlagenes Holz, teilweise aus dem Indigena-Territorium in der Nähe. Das wird mit den Booten angeliefert und dann per Lkw weitertranportiert. Aber jetzt gibt es auf dem Weg nach La Paz eine effektivere Kontrolle der Forstbehörde, die hoffentlich den illegalen Einschlag weiter einschränken wird.

und noch der Zusammenfluss vom Rio Alto Beni und Rio Boopi, einem Fluss, der aus dem Hochland um La Paz kommt.

Und da gibt es noch eine Rinderherde, die uns im Benitiefland entgegengekommen ist, als wir von einer kleinen Rundreise zurückgekommen sind.

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