Samstag, 24.12.2005

Weihnachten in La Paz

Für die Weihnachtstage bin ich mal wieder aus dem schönen warmen Alto Beni nach La Paz gefahren, in die Höhe, rel. Kälte und man könnte fast sagen Zivilisation. Einige unserer Vorgänger waren wohl fast jedes 2. Wochenende hier oben, aber uns gefällt es so gut in Sapecho, das wir lieber dort bleiben und nur zu speziellen Anlässen hierher kommen. So einer ist ja bekanntlich Weihnachten und deswegen will ich euch erstmal schöne Feiertage und prinzipiell alles Gute wünschen. Lasst es euch gut gehen, wir machen das auch hier, auch wenn die Weihnachtsstimmung noch etwas auf sich warten lässt. Ich habe leider gar kein Foto von den mit Weihnachtskram (ja, es ist wirklich viel kitschiger Kram dabei dabei) zugestellten Straßen, auf denen fast kein Durchkommen ist, da ich heute ohne Kamera unterwegs war. Natürlich gibt es auch hier Plastikweihnachtsbäume, bunt blinkende Lichterketten, die auch noch chinesisch verfälschte Weihnachtslieder von sich geben, Weihnachtsmänner in der Straße, die einem irgendwelche Werbezettel andrehen wollen usw. Desweiteren gibt es im Moment sehr viele bettelnde Kinder in den Straßen, von denen ich mich nicht erinnern kann, das sie vorher schon hier waren. Ich schwanke immer zwischen etwas geben und einfach weitergehen, die Entscheidung fällt dann meist zugunsten einiger alter Mütterchen, die anscheinend ein schweres Leben hinter sich haben und nicht viel vom bol. Staat an Rente oder sowas bekommen. Die Kinder haben noch ein Leben vor sich, wenn sie zur Schule gehen würden, sogar ein besseres. Aber das weiß man natürlich nicht, da auch gerade Ferien sind. Aber so Gedanken kommen einem halt, wenn man aller 5m am Hosenbein gezupft wird.

Ich muss ja noch einiges aus der letzten Zeit erzählen, es liegt ja schon einige Zeit zurück, das ich mal wieder was aktuelles geschrieben habe. Hauptereigniss war die Dorffiesta von Sapecho, zu Ehren des Dorfheiligen. Da ging es 4 Tage zur Sache und die Leber wurde auf eine harte Probe gestellt. Aber es war eine wunderschöne Fiesta, wir sind jetzt im ganzen Alto Beni als tanzende Gringos bekannt und geschätzt und der soziale Teil unserer Arbeit (wie es Herbert immer nennt) wurde heldenhaft übererfüllt. Nein Scherz beiseite, ich habe bei dieser Fiesta bei den traditionellen Tänzen, in dem Fall "Morenada" mitgetanzt und wurde von ganz vielen Leuten danach drauf angesprochen, das sie unheimlich stolz und froh sind, das ein Gringo ihre Kultur so pflegt oder mitgestaltet oder wie immer man das nennen mag. Die Bolivianer sind sowieso sehr stolz auf ihre traditionellen Tänze, gestern war ich bei einer Rockband, die diese Tänze mit in ihre ansonsten nach einer Mischung von Pearl Jam und Heroes del Silencio klingende Musik eingebaut haben.

Da ich nicht viel Zeit habe, weil das Weihnachtsessen vor der Tür steht, will ich lieber einige Fotos sprechen lassen und dann im Januar weiterschreiben.

die komplette Tanzgruppe

die senoritas beim Einüben der Tanzschritte vorher.

und die Herren beim Einüben, den Freitag vor der Fiesta

Der Kostümmuffel Robert beim Tanzen in fremden Kleidern

die Damen nochmal beim Tanz

und die Herren auch nochmal

harte Arbeit, die die Jungs da geleistet haben, die haben einige Stunden ununterbrochen gespielt

und alle nach dem Tanz nochmal, natürlich mit dem obligatorischen Bierkasten im Vordergrund.

so bis auf weiteres wars das erstmal, es gibt noch einige Bilder mehr und wenn ich es auf die Reihe bekomme, auch Videos.

Ende Januar

noch ein paar Bilder und ein bisschen Theorie von einer der schoensten und laengsten Party, die ich bisher erlebt habe:

Also der unten zu sehende Dorfheilige wird immer ein Jahr von einer bestimmten Familie (wo ich allerdings nicht weiss, wie man die auswaehlt) sozusagen beschuetzt. Einige Wochen vor der großen Fiesta zu seinen Ehren (11.November im Fall von San Martin de los Porres, was der Heilige von Sapecho ist) wird eine Vorfeier von der jeweiligen Familie organisiert, bei der es um die Auswahl der Taenze und die Einschreibung der Tanzenden geht. "Eintritt" zu dieser Feier sind volle Bierkaesten, die man am Eingang des Hofes postiert und wartet, bis man von den Gastgebern hereingebeten wird. Die Bierkaesten werden registriert, die Haelfte bekommt man hingestellt und die andere Haelfte geht an die Gastgeberfamilie, die sie zur Abdeckung der Party-Kosten an Leute verkauft, denen die Haelfte des mitgebrachten Bieres nicht reicht.Wir haben als Gruppe von 8 Leuten 3 Kästen hingestellt, andere haben zu dritt 8 Kästen hingestellt. Dann bekommt man auch reichlich zu essen und die Musik wird aufgedreht und es wird natuerlich getanzt. Irgendwann wird dann der Tanz für die kommende große Fiesta (Morenada in unserem Fall) und dann kommen die Gastgeber mit einer Liste rum, in die man sich für die Tanzgruppen innerhalb des Blockes der Familie einschreiben kann. Habe ich erst nicht gemacht, aber nach einer Weile habe ich mich dann doch entschieden mitzutanzen (mit den Diplomanden, die wir hier kennengelernt haben). Diese Fiesta, die ca. 5 Wochen vor der eigentlichen stattfand, war der Anfang des Untergangs meiner Leber. Weil dann naemlich jedes Wochenende für die große Fiesta geübt wurde. Und natuerlich immer reichlich Bier fließt. Wir haben es letztendlich geschafft 5 Tanzschritte einzuüben, die von dem Morenada-Grundschnitt abweichen. Letzter Übungstag war der Freitag vor der großen Party, als schon die Band anwesend war und den ich schon mit zu den 4 Tagen rechne, die die Party letztendlich gedauert hat. Weiter oben die Fotos im Dunkeln sind noch davon, bevor mal wieder die Batterien der Digitalkamera versagt haben.

Ja und dann ging es Samstag Morgen los. Aufstellung gegen 12.00 Uhr, wir hinter der Band, vorher noch schnell was gegessen. Dann geht irgendwann die Tanzerei los und man marschiert tanzend durchs Dorf. Immer im Grundschritt und wenn die beiden Vortänzer sich geeinigt haben, auch mal in einem unserer famosen 5 speziellen Schritte. Und natürlich vorneweg die Senoritas, die zu unserer Gruppe gehören. Nach 2 Häuserblöcken (span: cuadras) dann die erste Pause und der erste Kasten Bier. Dann wieder weiter, immer durchs Dorf, an der Plaza vorbei, fast aus dem Dorf raus und auf der anderen Straße wieder reins, noch einmal in Richtung Plaza und dort dann der große Einmarsch vor dem Tisch mit dem Heiligen und den Gastgebern. Dort wurde dann natürlich nochmal alles gegeben um einen möglichst guten Eindruck bei den Zuschauern zu hinterlassen. Diesen kann man übrigens auch mit einem schweren Kostüm erreichen, aber wir haben auf diese Ehre verzichtet und uns für die leichtere Variante entschieden, weil wir ja auch noch den Rest der Party mitfeiern wollten. Danach kamen die Poserfotos der Gruppe und irgendwann ging es dann im Hof der Gastgeber weiter. Mit insgesamt 3 Bands, die sich abgewechselt haben und von trad. bol. Tänzen (Morenada, Tinku, Severines, Caporales usw.) über Salsa, Merengue bis hin zu Cumbia und Reggeaton, den aktuell angesagten modernen Tänzen alles gespielt haben. Und die ganze Zeit gab es für die Tanzenden Freibier, das die anderen Leute, die nicht öffentlich getanzt haben und jetzt wieder das Spielchen mit den bierkästen als Eintritt machen müssen, mitgebracht haben. Natürlich gibt es auch wieder Essen und noch diverse Likörchen und Chicha, ein Gebräu aus Yucca und Mais. Man bekommt als Gruppe ständig Bier und Becher hingestellt und irgendeiner aus der Gruppe erbarmt sich dann der dürstenden Kehlen und verteilt immer einen Becher Bier, immer der Reihe um. Man kann dem ganzen nicht entfliehen, auch wenn man tanzt, kommt immer jemand durch die Reihen und verteilt Bier, die ganze Zeit. Wenn man sich denkt, das man entfliehen kann, indem man selbst das Bier verteilt, auch weit gefehlt, man wird dann immer von den Leuten gegeneingeladen. Man muss also trinken, sonst wäre das unhöflich und eine Beleidigung. So, Samstag ging die Party bis früh um 5.00 Uhr, dann habe ich ca. eine halbe Stunde an einem Tisch geschlafen, da es gegen 7.00 Uhr schon wieder weiter ging. Es gab nämlich noch einen Wettbewerb um die beste Tanzgruppe und der ging um 8.00 Uhr los. Von unseren 12 Leuten waren 4 nicht anwesend oder sind erst im Laufe des Vormittags mit dunklen Augenringen beim Tanzen eingetrudelt, so das wir beim Vorbeitanzen am Richtertisch halbwegs vollzählig waren. Zwischendurch habe ich noch bei der Pause jeglichen Alkohol abgelehnt, was große Empörung hervorgerufen hat und die ich nur unter Versprechen, am Nachmittag mit der entsprechenden Frau viel zu tanzen und noch mehr zu trinken abwehren konnte. Aber hätte ich da einen Tropfen getrunken, hätte ich nicht weitertanzen können. Nachdem der Einmarsch vorbei war, habe ich mich recht schnell verdrückt, um ein paar Stunden in der Hängematte zu schlafen und meine verschwitzten Klamotten mal zu wechseln. Nebenbei war Sonntag vormittag auch noch die Taufe unseres Patenkindes, Armin ist jetzt kirchlicher Taufpate vom Kind unserer Empleada und ich bin der Pate des sog. Rotuche. Das ist ein Zeremoniell, bei dem dem Kind die Haare von den Freunden der Familie geschnitten werden und mit jedem Haarbüschel wurde ein Geldschein und ein paar gute Wünsche in eine Schüssel gelegt. Diese Fiesta war zum Glück erst am Abend, so das ich nachmittags noch ein bisschen essen, tanzen und schlafen konnte. Ich weiss nicht mehr, wann ich ins Bett gekommen bin, aber Armin war vor mir verschwunden. Montag dann bis in den Mittag schlafen, an einer der unzähligen Fressbuden was essen und wieder in den Hof der Gastfamilie zum Tanzen. Dort waren schon fast alle mittelbetrunken und halten einem entsprechend öfters die Becher hin, damit man auf ihren Pegel kommt. Wieder bis um 2.00 Uhr tanzen und dann flüchten. Alles in allem also ab Freitag abend bis Montag abend Dauertrinken, Tanzen und Fröhlich sein. Dienstag morgen hat 10 Min vor 6.00 uhr die Musik auf der Plaza neben meinem Zimmer wieder in Diskolautstärke angefangen, aber da war ich zum Glück schon wach, da wir ins Campo gefahren sind. So, und jetzt noch ein paar Fotos:

Der Dorfheilige und seine Schutzfamilie, Don Juan David Arapena und seine Frau Nelly Arapena

Cynthia, die jüngste unserer Tänzerinnen

Lombrito, einer unser 5 Tanzschritte

und alle schoen im Gleichschritt

der konkurrierende Tanzblock, Tinku oder Severin tanzend, ich als Gringo kann das kaum auseinander halten

erschoepft, aber gluecklich

und dann kamen die obligatorischen jeder mit jedem Fotos (v.l.n.r.: Carmen, Cynthia, Ernesto, Vicky, Romina und vorn die kleine Andrea)

im Hintergrund Wilson und Romina und im Vordergrund posierend Vicky mit Alvaro

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