Sonntag, 06.02.2006

mal wieder La Paz, Hotel Torino

So, ich bin mal wieder in La Paz. Im Moment ist es sogar gar nicht so kalt hier, so das man nicht im ungeheizten Hotel im Winterschlafsack schlafen muss, wie es mir am Anfang hier immer ging. Wir sind heute aus Cochabamba wieder gekommen, einer Stadt auf halbem Wege nach Santa Cruz, südöstlich von La Paz auf ca. 2800m Höhe. Coche, wie es auch genannt wird liegt in den tropischen Valles, im Chapare, dem Übergang zu den tropischen Tiefländern. Obwohl es noch zeimlich karg ist, gibt es eine Landwirtschaftsuni und eine Forstuni, von der viele unserer Techniker im Alto Beni kommen. Wir haben dort an der Forstuni einen GIS-Kurs absolviert, zusammen mit einigen dieser tecnicos. War ganz interessant, vor allem als Stadt ist Cochabamba um einiges schöner als La Paz. Es gibt viele Parks und Grünanlagen, das Klima ist bedeutend milder und im Vergleich zu Sapecho gibt es einen Überfluß an schönen Frauen. Und man sagt in Coche lebt man für das Essen. Und es stimmt. Es gibt an jeder Straßenecke Stände, in denen ständig irgendwas brutzelt. Desweiteren ist gerade Obstsaison und aus den mildklimatischen Tälern kommen Pfirsiche, Pflaumen und Kirschen auf die Märkte, das es eine Freude ist. Wir haben die ganze Woche jeden Abend an einem Straßenstand Pique-Macho, Salchipapas oder Hamburgesas gegessen. Die ersteren beiden sind regionale Spezialitäten, Pique-Macho ist gebrutzeltes Fleisch, zusammen mit klein geschnittenen, ebenfalls in Fett gebrutzelten Wiener-Würstchen-Kopien und natürlich ebenfalls angebratenen Gemüse. Dazu papas fritas (Pommes frites) und ein Jugo irgendeiner tropischen Frucht. Sehr lecker, sehr viel, sehr billig aber auch sehr fettig. Salchis sind nur diese geschnippelten Würstchen fritiert mit papas fritas, auch sehr lecker und wenn man die Hamburger sieht, kann man verstehen, warum BurgerKing und McDonalds hier nur einen rel. bescheidenen Umsatz machen. Wir waren wir gesagt jeden Abend da essen, dann noch ein Bierchen trinken und zum Wochenende natürlich noch ein Tänzchen wagen. In irgendwelchen Schuppen, in die sich anscheinend noch nie ein Gringo gewagt hat, sonst wären wir nicht so lautstark und extra vom DJ begrüßt worden. War ziemlich witzig. Dummerweise habe ich kaum Fotos von der Reise, da ich die Kamera aus Sicherheitsgründen lieber nicht vorgeholt habe (wir haben im Viertel am Busterminal geschlafen, was ziemlich berüchtigt für Diebstähle usw. sein soll, obwohl wir davon nix gemerkt haben).

 

Dann will ich noch ein bisschen von der Vor-Weihnachts, Weihnachts- und Sylvesterzeit erzählen, was ich ja bisher versäumt habe. Vor Weihnachten waren nochmal einige große Partys angesagt, der Schulabschluss und die entsprechende Abifeier stand vor der Tür, dann natürlich Weihnachten und die Verabschiedung zweier Freunde, die für mdst. ein Jahr nach Costa Rica zum studieren gehen. Es waren nochmal einige harte Wochen für meine Leber, aber ich habe es überlebt und so kann ich jetzt von einigen neuen Trinkspielen erzählen. Eines Tages z.B. standen unsere lieben Freunde gegen 20.00 Uhr mit 2 Bierkästen vor der Tür, als ich gerade nach 4h durch den Urwald rennen völlig fertig und ohne Abendbrot aus der Dusche gekommen bin. Ich wurde dann unter Androchung der Freundschaftsaufkündigung gezwungen mitzuspielen, was ich mit ziemlich mieser Laune auch gemacht habe. Und zwar haben wir TODIS gespielt, ein Würfelspiel, bei dem es ums Trinken geht. Jede Zahl bedeutet ein Wort, 1=T=todos (alle trinken), 2=O=obligatorio (irgendjemand muss trinken), 3=D=derecha (der Spieler auf der rechten Seite muss trinken), 4=I=izquierda (entsprechend links), 5=S=solo (man selbst) und nur wenn die 6 fällt, braucht man nicht zu trinken. Die Biergläser sind in Schlucke eingeteilt (4 oder 5) und wenn eine Runde rum ist, wird zusammen gezählt, wer am meisten trinken musste und wer am wenigsten getrunken hat und die müssen dann nochmal ein ExtraGlas austrinken. Und irgendwie war da gerade nicht mein Tag, zumal ich ohne Abendessen ans Trinken gegangen bin. Ganz böse, sowas. Naja, dann war ein paar Tage später die Abifeier und wir waren von ca. 3 Familien eingeladen, zu ihren Feiern zu kommen. Da aber Alvaro als Pate für die Feier eines der Mädels stand, sind wir natürlich alle mit dahin gegangen. Es wurde viel getanzt, viel getrunken, wieder getanzt, zwischendurch noch ein Streit zwischen einem Verliebten und der Familie des Mädchens entschärft und gegen 4.00 Uhr morgens hat uns die Mutter nochmal 3 Kästen Bier hingestellt. Die wir aber nicht mehr geschafft haben und mit dem Hellwerden dann mit nach Hause genommen haben. Um sie dann am nächsten Tag (irgendein Freitag vor Weihnachten, die Erinnerung setzt da etwas aus) bei der nächsten Weihnachts- und Abschiedsfeier unserer zukünftigen Studenten nieder zu machen. Erst gab es noch ein typisches Weihnachtsessen, Picana, was sehr lecker war. Dona Carmen, die Gastgeberin, ist die beste Köchin weit und breit, sie kocht nicht nur sehr gut, sondern weicht auch mal von dem typischen Reis mit Fleisch ab. Also Picana sind 3 Sorten Fleisch (Schwein, Rind, Huhn) in einer Brühe ähnlich der von Eisbein (mit Rotwein), dazu gegartes Gemüse, Chunos (typische getrocknete Kartoffeln aus dem Altiplano) und normalen Kartoffeln. Hmmh, absolut lecker. Dann wurden die Tische zur Seit geräumt und wieder mal getanzt. Und wie gesagt, die am vorigen Tag mitgenommenen Bierkästen alle gemacht. Und nicht nur diese. Und es ward wieder Morgengrauen, ehe sie alle nach Hause gingen. Einige unserer Freunde hatten sich für 6.00 Uhr morgens ein Taxi bestellt, um nach Caranavi und von dort mit dem Vater des einen weiter nach La Paz zu fahren, also haben wir durchgemacht, bis das Taxi vor der Tür stand. An Arbeiten war an diesen Tagen sowieso nicht zu denken, da auch der Rest des Dorfes (und unsere Kollegen) in irgendwelchen Nachwirkungen der verschiedenen Feiern gefangen war. Aber hier habe ich ein paar Fotos schießen können, mal wieder ein paar Fotos in schwarz/weiß:

Jaqueline, die Abiturientin und ihre Pate, Alvaro

nochmal die selbe junge Dame, aber viel interessanter finde ich den Blick der Frau im Hintergrund ;-)

als padrino musste Alvaro natürlich mit allen Familienangehörigen mdst. einen Salut trinken

von links: Varinhia, Elvis, Rolando und Girardo, da schon zu vorgerückter Stunde

Romina, die beste Tänzerin des Alto Beni, leider studiert sie jetzt in Costa Rica

Nachschub gegen 4.00 Uhr morgens

die kleine Andrea hat bei der Weihnachtsfeier auch sehr lange sehr tapfer durchgehalten. Ganz links übrigens ihre Mutter und Gastgeberin Carmen, die beste Köchin des Alto Beni

Gastgeber Girardo und Alvaro

mal wieder Varinhia (die übrigens die Schwester von Romina ist) und Armin

und nochmal Romina mit Girardo und mir

Ach ja, zwischendurch war noch die Abschlussfeier des Vorschuljahrganges, bei der Armin und ich als Paten sozusagen Paten standen. Unsere Aufgaben erschoepften sich in den Kauf von so Doktorhüten, T-shirts und der Zertifikate für die Kleinen. Und natürlich die feierliche Übergabe derselben zusammen mit einigen beglückwünschenden Worten. Jetzt sind wir Padrinos von insgesamt (mit dem kleinen Robert unserer empleada) 24 Kindern, also wahrscheinlich vom ganzen Dorf. Das ging dann auch irgendwann in Trinken über, zum Glück hat der Regen die Open-Air-Feier etwas abgekürzt, so das es nicht ganz so vernichtend wurde. Und leider hat Alvaro, der mit meiner Kamera fotografieren sollte, wahrscheinlich schon so ein Entzugszittern, denn viele Fotos sind völlig verwackelt:

wir haben die ganze Zeit auf diesen winzigen Stühlen der Vorschule gehockt

und hier einige unserer Patenkinder

Und dann waren ja am 18. Dezember Wahlen zum Präsidenten und zu den Prefekten der Departments in Bolivien. Evo Morales hat mit 53% sehr eindeutig gewonnen und ist jetzt seit dem 22. Januar 2006 der erste Indigena-Präsident in Bolivien. Er gehört zum Movimiento al Socialismo (MAS) und hat sich die Abschaffung des aktuell herrschenden krassen Neokapitalismus, die Nationalisierung der beträchtlichen Gasreserven Boliviens, die Gleichberechtigung und Förderung der bis jetzt politisch und sozial benachteiligten Indigenabevölkerung (hauptsächlich ländlich-bäuerliche Menschen) die Dekriminalisierung des Kokaanbaus für traditionelle (Blätter kauen) und moderne medizinische Nutzung und noch einige Sachen mehr auf die Fahnen geschrieben. Und die jetzt schon von den Leuten, die ihn unterstützt haben, eingefordert werden. Unter anderen fordert die Dachgewerkschaft COB eine Anhebung des Mindestlohnes von 450,- Bs (ca. 45,- Euros) auf 1500,- Bs (ca. 150,- Euro) und hat schon ziemlich deutlich mit Streiks und Bloqueos gedroht, wenn die Forderungen nicht erfüllt werden. Das klingt ja erstmal ganz toll, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie einige Firmen oder z.B. El Ceibo, die Kakaogenossenschaft, mit denen wir arbeiten, das bezahlen sollten. Selbst wenn man den Managern und Chefs die Gehälter zusammenkürzt, kommt da nicht soviel Geld dabei raus, das man damit diese Erhöhung finanzieren könnte. Und der Staat ist chronisch pleite und im Ausland trotz des Schuldenerlasses von vor Weihnachten hoch verschuldet. Als real-sozialistisch erfahrener Mensch bin ich bei einigen der Forderung ziemlich skeptisch ob ihrer Umsetzbarkeit. Bzw. wenn sie umgesetzt werden, führen sie den Staat mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit noch mehr in die Krise. Er hat einen harten Job vor sich, und ich hoffe ehrlich, das er ihn schafft und ihn auch vor allem die Leute auf der Straße nicht an der Umsetzung hindern, nur weil einem kleinen Teil dieser Leute mal wieder irgendwas nicht passt. Das jeder irgendwo zurückstecken muss, damit das große Ganze am laufen bleibt und sich weiterentwickelt, dieses Grundverständniss der Demokratie oder des Zusammenlebens in einem demokratischen Staat haben einige Leute leider noch nicht wirklich begriffen (sie haben dummerweise auch nur schlechte Erfahrung). Armin war bei den Amtseinführungsfeierlichkeiten vom 21. bis 23. Januar hier in La Paz dabei, vielleicht hat er noch ein paar Bilder. Ich weiss nur soviel, das viele Leute da waren, das Hugo Chavez als Gast ziemlich viel populistisches Zeug geredet hat und gegen die Amis gehetzt hat und das die Morenada getanzt wurde, unser Tanz von der Dorffeier.

So, das waren jetzt 2h konzentriertes Schreiben, und ich habe noch einiges zu erzählen (unter anderem über meine Reise nach Ecuador), aber für heute ist Schluss.

 

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