So, ich bin mal
wieder in La Paz. Im Moment ist es sogar gar nicht so kalt hier, so das man
nicht im ungeheizten Hotel im Winterschlafsack schlafen muss, wie es mir am
Anfang hier immer ging. Wir sind heute aus Cochabamba wieder gekommen, einer
Stadt auf halbem Wege nach Santa Cruz, südöstlich von La Paz auf ca.
2800m Höhe. Coche, wie es auch genannt wird liegt in den tropischen Valles,
im Chapare, dem Übergang zu den tropischen Tiefländern. Obwohl es
noch zeimlich karg ist, gibt es eine Landwirtschaftsuni und eine Forstuni, von
der viele unserer Techniker im Alto Beni kommen. Wir haben dort an der Forstuni
einen GIS-Kurs absolviert, zusammen mit einigen dieser tecnicos. War ganz interessant,
vor allem als Stadt ist Cochabamba um einiges schöner als La Paz. Es gibt
viele Parks und Grünanlagen, das Klima ist bedeutend milder und im Vergleich
zu Sapecho gibt es einen Überfluß an schönen Frauen. Und man
sagt in Coche lebt man für das Essen. Und es stimmt. Es gibt an jeder Straßenecke
Stände, in denen ständig irgendwas brutzelt. Desweiteren ist gerade
Obstsaison und aus den mildklimatischen Tälern kommen Pfirsiche, Pflaumen
und Kirschen auf die Märkte, das es eine Freude ist. Wir haben die ganze
Woche jeden Abend an einem Straßenstand Pique-Macho, Salchipapas oder
Hamburgesas gegessen. Die ersteren beiden sind regionale Spezialitäten,
Pique-Macho ist gebrutzeltes Fleisch, zusammen mit klein geschnittenen, ebenfalls
in Fett gebrutzelten Wiener-Würstchen-Kopien und natürlich ebenfalls
angebratenen Gemüse. Dazu papas fritas (Pommes frites) und ein Jugo irgendeiner
tropischen Frucht. Sehr lecker, sehr viel, sehr billig aber auch sehr fettig.
Salchis sind nur diese geschnippelten Würstchen fritiert mit papas fritas,
auch sehr lecker und wenn man die Hamburger sieht, kann man verstehen, warum
BurgerKing und McDonalds hier nur einen rel. bescheidenen Umsatz machen. Wir
waren wir gesagt jeden Abend da essen, dann noch ein Bierchen trinken und zum
Wochenende natürlich noch ein Tänzchen wagen. In irgendwelchen Schuppen,
in die sich anscheinend noch nie ein Gringo gewagt hat, sonst wären wir
nicht so lautstark und extra vom DJ begrüßt worden. War ziemlich
witzig. Dummerweise habe ich kaum Fotos von der Reise, da ich die Kamera aus
Sicherheitsgründen lieber nicht vorgeholt habe (wir haben im Viertel am
Busterminal geschlafen, was ziemlich berüchtigt für Diebstähle
usw. sein soll, obwohl wir davon nix gemerkt haben). Dann will ich noch
ein bisschen von der Vor-Weihnachts, Weihnachts- und Sylvesterzeit erzählen,
was ich ja bisher versäumt habe. Vor Weihnachten waren nochmal einige große
Partys angesagt, der Schulabschluss und die entsprechende Abifeier stand vor
der Tür, dann natürlich Weihnachten und die Verabschiedung zweier
Freunde, die für mdst. ein Jahr nach Costa Rica zum studieren gehen. Es
waren nochmal einige harte Wochen für meine Leber, aber ich habe es überlebt
und so kann ich jetzt von einigen neuen Trinkspielen erzählen. Eines Tages
z.B. standen unsere lieben Freunde gegen 20.00 Uhr mit 2 Bierkästen vor
der Tür, als ich gerade nach 4h durch den Urwald rennen völlig fertig
und ohne Abendbrot aus der Dusche gekommen bin. Ich wurde dann unter Androchung
der Freundschaftsaufkündigung gezwungen mitzuspielen, was ich mit ziemlich
mieser Laune auch gemacht habe. Und zwar haben wir TODIS gespielt, ein Würfelspiel,
bei dem es ums Trinken geht. Jede Zahl bedeutet ein Wort, 1=T=todos (alle trinken),
2=O=obligatorio (irgendjemand muss trinken), 3=D=derecha (der Spieler auf der
rechten Seite muss trinken), 4=I=izquierda (entsprechend links), 5=S=solo (man
selbst) und nur wenn die 6 fällt, braucht man nicht zu trinken. Die Biergläser
sind in Schlucke eingeteilt (4 oder 5) und wenn eine Runde rum ist, wird zusammen
gezählt, wer am meisten trinken musste und wer am wenigsten getrunken hat
und die müssen dann nochmal ein ExtraGlas austrinken. Und irgendwie war
da gerade nicht mein Tag, zumal ich ohne Abendessen ans Trinken gegangen bin.
Ganz böse, sowas. Naja, dann war ein paar Tage später die Abifeier
und wir waren von ca. 3 Familien eingeladen, zu ihren Feiern zu kommen. Da aber
Alvaro als Pate für die Feier eines der Mädels stand, sind wir natürlich
alle mit dahin gegangen. Es wurde viel getanzt, viel getrunken, wieder getanzt,
zwischendurch noch ein Streit zwischen einem Verliebten und der Familie des
Mädchens entschärft und gegen 4.00 Uhr morgens hat uns die Mutter
nochmal 3 Kästen Bier hingestellt. Die wir aber nicht mehr geschafft haben
und mit dem Hellwerden dann mit nach Hause genommen haben. Um sie dann am nächsten
Tag (irgendein Freitag vor Weihnachten, die Erinnerung setzt da etwas aus) bei
der nächsten Weihnachts- und Abschiedsfeier unserer zukünftigen Studenten
nieder zu machen. Erst gab es noch ein typisches Weihnachtsessen, Picana, was
sehr lecker war. Dona Carmen, die Gastgeberin, ist die beste Köchin weit
und breit, sie kocht nicht nur sehr gut, sondern weicht auch mal von dem typischen
Reis mit Fleisch ab. Also Picana sind 3 Sorten Fleisch (Schwein, Rind, Huhn)
in einer Brühe ähnlich der von Eisbein (mit Rotwein), dazu gegartes
Gemüse, Chunos (typische getrocknete Kartoffeln aus dem Altiplano) und
normalen Kartoffeln. Hmmh, absolut lecker. Dann wurden die Tische zur Seit geräumt
und wieder mal getanzt. Und wie gesagt, die am vorigen Tag mitgenommenen Bierkästen
alle gemacht. Und nicht nur diese. Und es ward wieder Morgengrauen, ehe sie
alle nach Hause gingen. Einige unserer Freunde hatten sich für 6.00 Uhr
morgens ein Taxi bestellt, um nach Caranavi und von dort mit dem Vater des einen
weiter nach La Paz zu fahren, also haben wir durchgemacht, bis das Taxi vor
der Tür stand. An Arbeiten war an diesen Tagen sowieso nicht zu denken,
da auch der Rest des Dorfes (und unsere Kollegen) in irgendwelchen Nachwirkungen
der verschiedenen Feiern gefangen war. Aber hier habe ich ein paar Fotos schießen
können, mal wieder ein paar Fotos in schwarz/weiß: Jaqueline,
die Abiturientin und ihre Pate, Alvaro nochmal
die selbe junge Dame, aber viel interessanter finde ich den Blick der Frau im
Hintergrund ;-) als
padrino musste Alvaro natürlich mit allen Familienangehörigen mdst.
einen Salut trinken von
links: Varinhia, Elvis, Rolando und Girardo, da schon zu vorgerückter Stunde Romina,
die beste Tänzerin des Alto Beni, leider studiert sie jetzt in Costa Rica Nachschub
gegen 4.00 Uhr morgens die
kleine Andrea hat bei der Weihnachtsfeier auch sehr lange sehr tapfer durchgehalten.
Ganz links übrigens ihre Mutter und Gastgeberin
Carmen, die beste Köchin des Alto Beni Gastgeber
Girardo und Alvaro mal
wieder Varinhia (die übrigens die Schwester von Romina ist) und Armin und
nochmal Romina mit Girardo und mir Ach ja, zwischendurch
war noch die Abschlussfeier des Vorschuljahrganges, bei der Armin und ich als
Paten sozusagen Paten standen. Unsere Aufgaben erschoepften sich in den Kauf
von so Doktorhüten, T-shirts und der Zertifikate für die Kleinen.
Und natürlich die feierliche Übergabe derselben zusammen mit einigen
beglückwünschenden Worten. Jetzt sind wir Padrinos von insgesamt (mit
dem kleinen Robert unserer empleada) 24 Kindern, also wahrscheinlich vom ganzen
Dorf. Das ging dann auch irgendwann in Trinken über, zum Glück hat
der Regen die Open-Air-Feier etwas abgekürzt, so das es nicht ganz so vernichtend
wurde. Und leider hat Alvaro, der mit meiner Kamera fotografieren sollte, wahrscheinlich
schon so ein Entzugszittern, denn viele Fotos sind völlig verwackelt: wir
haben die ganze Zeit auf diesen winzigen Stühlen der Vorschule gehockt und
hier einige unserer Patenkinder Und
dann waren ja am 18. Dezember Wahlen zum Präsidenten und zu den Prefekten
der Departments in Bolivien. Evo Morales hat mit 53% sehr eindeutig gewonnen
und ist jetzt seit dem 22. Januar 2006 der erste Indigena-Präsident in
Bolivien. Er gehört zum Movimiento al Socialismo (MAS) und hat sich die
Abschaffung des aktuell herrschenden krassen Neokapitalismus, die Nationalisierung
der beträchtlichen Gasreserven Boliviens, die Gleichberechtigung und Förderung
der bis jetzt politisch und sozial benachteiligten Indigenabevölkerung
(hauptsächlich ländlich-bäuerliche Menschen) die Dekriminalisierung
des Kokaanbaus für traditionelle (Blätter kauen) und moderne medizinische
Nutzung und noch einige Sachen mehr auf die Fahnen geschrieben. Und die jetzt
schon von den Leuten, die ihn unterstützt haben, eingefordert werden. Unter
anderen fordert die Dachgewerkschaft COB eine Anhebung des Mindestlohnes von
450,- Bs (ca. 45,- Euros) auf 1500,- Bs (ca. 150,- Euro) und hat schon ziemlich
deutlich mit Streiks und Bloqueos gedroht, wenn die Forderungen nicht erfüllt
werden. Das klingt ja erstmal ganz toll, aber ich weiß ehrlich gesagt
nicht, wie einige Firmen oder z.B. El Ceibo, die Kakaogenossenschaft, mit denen
wir arbeiten, das bezahlen sollten. Selbst wenn man den Managern und Chefs die
Gehälter zusammenkürzt, kommt da nicht soviel Geld dabei raus, das
man damit diese Erhöhung finanzieren könnte. Und der Staat ist chronisch
pleite und im Ausland trotz des Schuldenerlasses von vor Weihnachten hoch verschuldet.
Als real-sozialistisch erfahrener Mensch bin ich bei einigen der Forderung ziemlich
skeptisch ob ihrer Umsetzbarkeit. Bzw. wenn sie umgesetzt werden, führen
sie den Staat mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit noch mehr in die Krise. Er
hat einen harten Job vor sich, und ich hoffe ehrlich, das er ihn schafft und
ihn auch vor allem die Leute auf der Straße nicht an der Umsetzung hindern,
nur weil einem kleinen Teil dieser Leute mal wieder irgendwas nicht passt. Das
jeder irgendwo zurückstecken muss, damit das große Ganze am laufen
bleibt und sich weiterentwickelt, dieses Grundverständniss der Demokratie
oder des Zusammenlebens in einem demokratischen Staat haben einige Leute leider
noch nicht wirklich begriffen (sie haben dummerweise auch nur schlechte Erfahrung).
Armin war bei den Amtseinführungsfeierlichkeiten vom 21. bis 23. Januar
hier in La Paz dabei, vielleicht hat er noch ein paar Bilder. Ich weiss nur
soviel, das viele Leute da waren, das Hugo Chavez als Gast ziemlich viel populistisches
Zeug geredet hat und gegen die Amis gehetzt hat und das die Morenada getanzt
wurde, unser Tanz von der Dorffeier. So,
das waren jetzt 2h konzentriertes Schreiben, und ich habe noch einiges zu erzählen
(unter anderem über meine Reise nach Ecuador), aber für heute ist
Schluss.