Sonntag, 07.05.2006

Und mal wieder La Paz, Hotel Torino

Diesmal bin ich hier im Torino mit Franzi und Micha, die mich für einige Wochen besucht haben. Kurz vor Ostern kamen sie und übermorgen fliegen sie wieder. Wir haben einige nette Trips gemacht und viel rumgehangen. Aber der Reihe nach. Weil ich ja noch einiges aus Ecuador erzälen will und außerdem mal einige Kommentare zur aktuellen politischen Situation hier abgeben will.

Tena - Provincia Napo, Ecuador, bei meinem alten Praktikumsprojekt

Für die Weihnachtszeit hatte ich beschlossen, die relativ kurze Distanz zu nutzen, um meinen Praktikumsplatz in Ecuador zu besuchen. Das war damals mein erster Kontakt mit Lateinamerika und wie man sich denken kann, hat er mich nachhaltig beeinflusst. Jörg und ich waren damals mehr oder weniger die ersten Praktikanten dort und seitdem sind einige Tharandter dort gewesen. Und mittlerweile ist es 7 Jahre her, das ich dort war und sicher hat sich einiges verändert. Nebenbei habe ich noch eine Freundin aus Tharandt besucht, die dort ihre Diplomarbeit schreibt. Also bin ich kurz nach Weihnachten losgeflogen, um erstmal im Touriviertel "Mariscal" von Quito abzusteigen, in dem ich damals überfallen und ausgeraubt wurde. Aber mittlerweile herrscht dort ziemliche Polizei- und Securitypräsenz, so das man sich als Touri schon sicherer fühlen kann. Aber ich wollte ja eigentlich wieder in den Dschungel, also bin ich am nächsten Tag gleich los, um nach Tena zu kommen. Man merkt ganz deutlich an den Straßenverhältnissen, das Ecuador ein reicheres Land als Bolivien ist (was ja rel. einfach ist, wenn man bedenkt, das Bolivien das ärmste Land Südamerikas ist). Die Straße von der Hauptstadt in den Osten, die von der nationalen Bedeutung her der Straße nach Sapecho bzw. Rurrenabaque entspricht, ist zu 75% geteert. Auch die kleineren Seitenstraßen sind fast komplett geteert. Hier in Bolivien versucht man seit 12 Jahren eine stabile und betonierte bzw. asphaltierte Straße in den Osten bzw. Norden in Richtung Brasilien zu bauen, aber bekommt es irgendwie nicht hin. Naja, egal. Jedenfalls bin ich ziemlich schnell dort angekommen und habe Liane im für mich neuen Büro getroffen. Damals mussten Jörg und ich noch eine knappe Stunde über schmale und schlammige Pfade durch den Dschungel bzw. Sekundärwald laufen, um zu den Hütten zu kommen. Jens, der Projektgründer und -verantwortliche hat damals das Grundstück in der Nähe der Straße gekauft, so das man nur noch 5 Minuten läuft. Dort sind jetzt Büros, Unterkünfte für die Praktikanten und eine Küche. Hat sich also alles ziemlich entwickelt, das ganze. Das Haus, was Jens sich damals aktuell hat bauen lassen, ist jetzt nur noch für Praktikanten und Diplomanden gedacht. Und mittlerweile ist der Weg dorthin betoniert. Dafür ist unser altes Haus und damaliges Zentrum von Curiquingue mittlerweile fast komplett vom Wald zurückerobert. Natürlich sieht man noch die Betonfläche, auf der früher Kaffee getrocknet wurde und auch die Gerippe der Häuser stehen noch, aber sehr viel mehr nicht. Auch die Kulturpflanzen, die es damals dort gab, sind fast komplett überwuchert. Ich habe eine Weile gebraucht, um den Weg wiederzufinden, aber mit Hilfe eines Hundes ging es ganz gut. Allgemein hat sich bei der Idee des Projektes nicht viel geändert. Jens will immer noch die Regenwaldzerstörung aufhalten, was natürlich ein löbliches Ziel ist. Allerdings bin ich mittlerweile recht kritisch, wie dieses Zeil umgesetzt wird. Jens hat einige Fincas aufgekauft und forstet auf diesen die aufgelassenen Weideflächen wieder auf. Allerdings kann er den Bauern der Gegend keine alternative Bewirtschaftung zu ihrer traditionellen Viehwirtschaft anbieten, was in meinen Augen dazu führt, das außerhalb des Gebietes von Curiquingue weiterhin Wald gerodet wird, um die Viehwirtschaft auszuweiten. Reisanbau für den Eigenbedarf und Viehzucht ist anscheinend auch das einzige, was in der Zone relativ lukrativ zu sein scheint, was mich etwas verwundert, wenn man die Nähe zu Quito und die guten Straßenanbindung betrachtet. Der Alto Beni als Pendant ist der Fruchtlieferant (Kakao, Citrusfrüchte, Bananen, Papayas, Melonen, Ananas usw.) für den Großraum La Paz, also bei uns herrschen gute Absatzchancen für die Produkte der Kleinbauern. Naja, neben diesen aspekten war ich ja eigentlich Tourist, also sind wir nochmal für 3 Tage nach Banos gefahren, einem Ort, in dem ich schonmal mit Joerg auf der Durchreise war. Damals war gerade der Vulkan Tunguarua aktiv und hat das Dorf eine Woche nachdem wir dort waren unter einer 1m dicken Ascheschicht begraben. Aber es sieht alles wieder normal aus, Touris sind auch wieder zu Hauf dort und das Leben pulsiert. Sylvester an sich war relativ entspannt, wir haben direkt in Tena gefeiert. Auf der Starße wurden Puppen präsentiert, die lokale Politiker und sonstige Persönlichkeiten darstellten, zusammen mit einigen Pappschildern, auf denen die Sünden der jeweiligen Leute aufgeschrieben waren. Irgendwann wurden diese dann symbolisch verbrannt, wobei ich nicht wissen will, inwieweit sich der Volkszorn noch weiter gegen diese Personen richtet. So und nun ein paar Fotos:

die Hütte, in der Jörg und ich 2 Monate gewohnt (gehaust) haben, mittlerweile fast komplett vom Wald zurückerobert.

man sieht noch in Ansätzen die Bettgestelle und unsere Terasse für die Hängematten.

und damals hieß es alles auch noch anders, hier an unserer Ex-Küche, Ex-Büro und ewiger Ex-Skatrundenplatz zu sehen.

Hier wohnen jetzt die Praktikanten und weitere Gäste, damals hatte Jens das Haus für sich gebaut. Eigentlich ein schönes Hüttchen.

Und so scheißt man im Urwald bzw. zwischen Bananenpflanzen.

Mal wieder auf dem Bus, da innendrin Köpfe-Verrenken angesagt gewesen wäre. Hier mit Claudi, Liane und Uli.

Wenn man als Förster in Dtl. keine Arbeit bekommt, muss man sich halt Alternativen suchen und Kakteen im Regenwald pflanzen.

Hier noch schnell der Gemüsemarkt in Banos und im folgenden ...

... das Hauptprodukt für die einheimischen Touris: Megasüßes Zuckerzeugs (aus lokalem Zuckerrohr), das ständig über Haken geschlagen wird und dem irgendwelche Farb- und Geschmacksstoffe zugesetzt werden.

Mittwoch, 17.05.06

Sapecho, La Casa de los Alemanes

So, nach langer Zeit auch mal wieder in Sapecho gelandet. Sonntag bin ich aus Rurrenabaque gekommen, wo ich mit Armin bei einer anderen Partnerorganisation des DED ausgeborgt war, um einige Feldstudien in Vorbereitung von Aufforstungsprojekten durchzuführen. Unser Kollege Dennis hat in Zusammenarbeit mit einer bolivianischen Stiftung vor, in der Region um Rurre Aufforstungen durchzuführen und diese für den CO2-Handel anerkennen zu lassen. Da dieses ganze Procedere noch ziemlich neu für alle war, haben wir erstmal eine Woche lang rumprobiert, um unsere Fragebögen optimal zu gestalten. Letztendlich ist ein Fragebogen mit 5 Seiten dabei rausgekommen, in meinen Augen teilweise immer noch ziemlich viel Gefrage für die armen Bäuerlein, die gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Die ganze Aufforstungsidee ist auf eine Weise auch kritisch zu sehen, da meiner Einschätzung nach die dortigen Bauern so gut wie gar nicht an Aufforstungen bzw. Waldbewirtschaftung interessiert sind. Eher an Viehzucht und Reisanbau. Als Förster und halbwegs gebildeter Mensch weiß man natürlich um die Wichtigkeit der Bäume, aber man kann den Leuten nicht irgendwelche Projekte überstülpen, die sie überhaupt nicht interessieren. Ein schwieriges Thema, da es letztendlich die Bauern sind, die ihr Land zur Verfügung stellen sollen, die Bäume pflanzen, dann pflegen und vor allem nicht vorzeitig abhacken sollen. Viele haben noch auf ihren Grundstücken Waldanteile, die teilweise auch noch wertvolle Baumarten enthalten, aber der Zugang zu diesen ist sehr schwierig und außerdem sind die Sägewerke dort ziemlich verschrien, da sie meist nur die Wege kaputtmachen, sehr schlecht für das Holz zahlen und sowieso die Bösen sind. Da sind sie hier im Alto Beni vergleichsweise richtig gut angesehen. Außerdem werden hier auch halbwegs ordentliche Preise für das Holz gezahlt. Dort in der Gegend um Rurre werden teilweise nur 100 Bolivianos (10 Euro) für einen Almendrillostamm (Dipterix Odorata - auch als Cumaru bekannt) von ca. 3-4 Kubikmeter gezahlt, was natürlich lächerlich ist. Auf dem Weltmarkt bringt gesägtes Holz dieser Holzart ca. 600-800 US$ je Kubikmeter, je nach Verarbeitungsgrad und Qualität. Da also den Bauern der angebotene Preis zu wenig ist, wandeln sie lieber den restlichen Wald auf ihren Grundstücken in Ackerland um, d.h. erst Abholzen, dann Abbrennen (ja, auch die Stämme, die ihnen zu billig abgekauft werden würden), dann wird als erstes Reis gesät und dann wird das Land entweder zu Weideland umgewandelt oder der Brache überlassen. Auf letzterer wächst innerhalb kürzester Zeit wieder ein Sekundärwald, der aber bereits nach 3-4 Jahren wieder zur Reisgewinnung abgeholzt wird. Das ist so die klassische Rotation. Und dabei wird immer wieder ein Stückchen Primärwald gerodet, bis irgendwann nix mehr übrig ist. Tja, schade drum, es gibt wunderschöne Wälder dort. Naja, jedenfalls ist die Idee, den Leuten per Aufforstungen die Möglichkeit zu geben, Holz zu produzieren und zu verkaufen. Aber sie wollen nicht wirklich von sich aus, das wird das Problem bei der Implementierung der Projekte werden. Naja, auch hier noch ein paar Fotos, damit hier nicht nur Partybilder drin stehen.

Eine typische Fläche kurz nach der Reisernte. Das ganze ist ca. 5-6 Monate alt und wächst schon wieder zu. Im Hintergrund sieht man noch die braunen Stengel der Maispflanzen, die meist zusammen mit dem Reis gepflanzt werden. Und natürlich noch die angekokelten Stämme der ehemaligen Urwaldriesen, die auch im Hintergrund zu sehen sind.

Reis, der Feind Nr. 1 jedes Försters hier in der Gegend. Naja, die Bauern haben halt nix anderes, was sich halbwegs lohnt anzubauen.

So sieht ein ehemaligen Reisfeld aus, wenn man es danach mit Leguminosen zur Nährstoffanreicherung besät. Problem ist bei dieser Pflanze, das die einfach alles zudeckt, auch zukünftige Nutzpflanzen. Das heißt dann wieder ständig Arbeitsaufwand zum Freihalten der Pflänzchen.

Ein anderes Extrembeispiel. Weidefläche mit sehr wenig Schattenbäumen. Eine solche Weide hält ca. 7-9 Jahre, dann ist der Boden erschöpft, total festgetrampelt und das ganze muss erneuert werden. Ob das geht weiß allerdings auch noch niemand so wirklich.

Und so sieht es normalerweise aus. Bäume in allen Dimensionen, Höhen und Spezies, dazu ein sehr dichter Unterwuchs aus Farnen, Lianen, und kleinen Bäumchen. Die Bäche trocknen natürlich auch aus, wenn die Bäume und die restliche Vegetation als Wasserspeicher wegfallen.

Mit den Wäldern werden nicht nur die Bäche verschwinden, sondern auch die dazu gehörige Tierchen. Oder sie landen vorher im Kochtopf.

Und mal wieder ein Urwaldriese als Rest. Wahrscheinlich hat einfach die Motorsäge nicht ausgereicht, um diesen Baum umzulegen.

Aber es gibt noch Hoffnung: Hier Dennis, unser chaotischer Holländer bei den Interviews mit einem potentiellen Interessierten.

So, das wars erstmal wieder. Da ich ja mit Micha und Franziska sowohl dort in Rurre als auch noch in La Paz und am Lago Titicaca war, kommen dann auch noch ein paar Infos und Bilder. Aber demnächst erst.

jetzt schon Seite 6 >>