Dienstag, 19.07.2005

Aufbruch

Auf den letzten Drücker noch alles gepackt, meine beiden Zimmer halbwegs ausgeräumt, Jörg die Hälfte an Arbeit dagelassen, noch Jan zum Ausräumen eingespannt ging es auf die letzte Minute zum Bahnhof. Mit 2 Riesen Taschen, einem kleinen Rucksack und der Laptoptasche bepackt. Der Zug hatte natürlich Verspätung, so daß ich Crissi und Sirko nochmal losgeschickt habe, um einen Döner zum Abendbrot zu holen. Natürlich kam dann der Zug doch eher als erwartet und so war es doch noch ein schneller Abschied von meinen Dresdner Freunden, leider ohne die beiden heiß erwarteten Döner-Boten.

Dann ging der Zug noch völlig kaputt, wir (Martin G. und ich) standen mit einigen anderen Leuten mitten in der Pampa vor Berlin und sind letztendlich gegen 0.30 Uhr bei ihm angekommen. Da mein Flieger um 8.00 Uhr ging, hieß das natürlich nur 4-5 h Schlaf. Toll.

Mittoch, 20.07.2005 und Donnerstag 21.07.2005

Der Flug und die Ankunft

Wie gesagt, nach einer kurzen Nacht in Berlin ging es via Madrid und Miami nach La Paz. Bei Iberia gab es mal wieder leckeren Rotwein zum Essen, und in Miami gab es wieder einmal lange Wartezeiten an den Einreiseschaltern. Jetzt haben die Amis doch meine Fingerabdrücke, also wird es mit der Revoluzzerkarriere doch nix mehr. Naja, muss ich mir was anderes suchen. In Miami haben mein zukünftiger Kollege Armin und ich geschlagene 8h Aufenthalt gehabt, und davon schon 2h in der Einreiseschlange gestanden. Wenigstens konnten wir gleich unser Spanisch üben, dort haben echt alle Spanisch gesprochen. Als wir endlich unsere Fingerabdrücke abgegeben hatten und alle Stempel im Paß hatten, konnten wir raus. Als wir aber für ein Zigarettchen raus gegangen sind, hat uns die Luftfeuchtigkeit fast erschlagen, so daß wir gleich wieder in die klimatisierte Halle gegangen sind. Wenigstens wurde uns das ewige Warten dort durch einige recht ansprechende weibliche Fluggäste versüßt. Als wir endlich im Flieger saßen, kam erstmal noch der Mechaniker und hat die hintere Nottür, vor der wir saßen, mit Klebeband !!! repariert. Aber es hat halbwegs gehalten. Jedenfalls sind wir gut angekommen, wenn man noch die Katzenscheiße vergisst, die so ein blödes Vieh 2m hinter unserem Sitz verteilt hat.

Donnerstag morgen nach örtlicher Zeit war es dann soweit. Der Landeanflug auf La Paz. Leider hat man nicht soviel gesehen, da der Flugplatz El Alto etwas oberhalb liegt und es auch noch dunkel war. Bis wir dann allerdings unser Gepäck hatten und durch die Einreisekontrolle durch waren, war es auch hell. Gerd Fischer, ein alter Bekannter aus Tharandt und mein Mentor für das kommende Jahr hat uns abgeholt. Meine Erwartungen in Ihn wurden bis jetzt nicht enttäuscht :-). Und ich habe die ersten hohen Berge gesichtet:

Die ersten schneebedeckten Berge im Hintergrund, könnte der Mururata sein.

Donnerstag, 21.07.2005 bis Sonntag, 24.07.2005

Die ersten Tage in La Paz

Gerd hat uns im Max-Inn einquartiert, einem 3-Sterne-Hotel direkt neben dem Zentralgefängniss von La Paz. Ein Gefängniss, das selbst verwaltet ist und in dessen Inneres sich die Polizei nicht reintraut. Es gibt ein Buch eines Engländers über seine Erlebnisse während seiner Haft dort, muss ziemlich krass sein. Wenn ich den Titel des Buches rauskriege, stell ich ihn hier nochmal rein.

Bis jetzt macht uns die Höhe noch nichts aus, außer das Keuchen beim Treppensteigen im Hotel. Gott, als ob ich noch nie Sport gemacht hätte. Wir haben ein bisschen die Stadt erkundet, waren im DED-Büro einigen org. Kram erledigen und haben heute mal ausgiebig die Märkte erkundet. Ich habe einige Bilder davon, aber das gibt das Flair nicht ansatzweise wieder. Überall Menschen, dazwischen die stinkenden Minibusse und Taxis, aus denen immer jemand die Richtung schreit, dazu an fast jedem Marktstand plärrende Radios oder CD-Player, die einfach nur Krach machen, keine Musik. Und dann Massen an Menschen. Die allgegenwärtigen Cholas mit ihren dicken Röcken und lustigen Hüten, dazwischen kleine Kinder am Rockzipfel, im Tragetuch oder selbst schon mit Kaugummis, Lutschern oder ähnlichem im Geschäft. Natürlich dürfen die Schuhputzer nicht fehlen, die hier fast alle ihre komplettes Gesicht mit Sturmhauben verhüllt haben. Entweder wegen der Kälte (es ist arschkalt hier, wenn man gerade an Dtl. im Sommer gewohnt ist) und dem Dreck und Ruß oder weil sie nicht erkannt werden wollen. Weiterer wichtiger Bestandteil des Straßenlebens in La Paz sind die laufenden Telefonzellen. Die tragen neongrüne Warnwesten, laufen zwischen Autos und Menschen rum und bieten ihre Mobiltelefone für jedermann an. Ein chaotisches Gewühl, das aber auf jeden Fall seinen Reiz hat. Touris erkennt man übrigens daran, das sie den Rucksack vor dem Bauch tragen, wegen der Sicherheit. Naja, man kanns auch übertreiben. Bis jetzt habe ich mich hier total sicher gefühlt, auch wegen der Polizei und Security überall. Hat natürlich auch einen bitteren Beigeschmack. Die bloqueos und Demonstrationen der letzten Wochen sind noch nicht vergessen und überall sieht man Graffiti mit politischen Parolen an den Wänden.

 

Im Hintergrund immer zu sehen: Der Illimani, lockere 6439m hoch

Marktstand in La Paz, noch fast ohne Leute

auch eine Straßenszene, aber wie gesagt, die Fotos geben das Gewühl nicht annähernd wieder

Sonntag, 24.07.2005

Ausflug in den Palca-Canyon

Zum Sonntag wollten wir mal was anderes machen, als uns nur durch den Lärm und Dreck der Stadt zu kämpfen, also haben wir eine kleine Wanderung gemacht. Armin hat leider wegen Durchfall bzw. Magenproblemen abgesagt, so das ich mit Gerd und seinem Hund Lauser allein unterwegs war. Vor den Genuß hat der liebe Gott der Berge jedoch noch Knie einstoßen und knapp an einem Bandscheibenvorfall vorbei schrammen im Micro-Bus gesetzt. Nachdem das geschafft war, konnten wir endlich loslaufen. La Paz im Rücken und den Illimani vor uns, ging es auf knapp 3900m immer schön stetig bergauf. Die ersten Meter habe ich noch ganz schön geschnauft, dann wurde es aber irgendwann besser. Dann hatten wir auch schon den Paß vor uns und direkt dahinter kamen die ersten Sichten auf den Illimani. Durch Huni, ein kleines unscheinbares Dorf am Weg, hindurch in Richtung Schlucht. Rings um Huni eine absolut atemberaubende Landschaft, die eher was von Mondlandschaft hat. Links steile Felsformationen, die durch Erosion wie Orgelpfeifen aussehen, und auf der anderen Seite weite Erosionsrinnen, die an Kleckerburgen an der Ostsee erinnern, allerdings ein paar Meter größer. Und dazwischen immer noch winzig kleine Terassenfelder der Aymaras. In der Palca-Schlucht dann weitere absolut atemberaubende (diesmal nicht wegen der Höhe, es ging bergab) Felsformationen. Von weiten sieht es sehr verlockend zum Klettern aus, aber wenn man näher kommt, sieht man die Einzelheiten. Das Gestein ist so ein Konglomerat von Kieseln verschiedener Größe, die von Lehm und Erde zusammengehalten werden. Wenn man dort mal versucht hochzusteigen, fällt alles gleich zusammen und bröckelt raus. Und überall wieder die Erosionsrinnen. Der "Fluß" (ca. 12cm Breite) war sogar salzig und an den Ufern hat man die Salzkristalle gesehen. Am Ende der Schlucht dann das Dorf Palca, ein wirklich schönes kleines Dorf, was sogar verhältnissmäßig grün aussah. Es gab überall kleine Bäche und die Felder sahen im Vergleich zu denen um Huni sogar richtig grün aus. Das einzige was die Leute anzubauen scheinen, sind Zwiebeln. In Palca war sozusagen Schluß mit der Wanderung und dort steht der Bus nach La Paz bereit. Da aber der Bus erst losfährt, wenn genügend Leute eingestiegen sind, sind wir nach einer halben Stunde weiter gelaufen, wieder die Berge hoch in Richtung Straße nach La Paz. Dort haben wir dann eine ziemlich abenteuerliche Camioneta angehalten und sind mit ein paar Dorfbewohnern hinten drauf mitgefahren. War sehr lustig mit den Leuten, als Gringo sorgt man immer wieder für kleine Lacher. Die Straße war auch eher so, das wir mit den Knien und Beinen die Kurvenneigung und Schlaglöcher ausgeglichen haben, wie beim römischen Wagenrennen. Dann hatte die Karre zwischendurch Zündaussetzer, die Zündspule war ja auch nur mit einer Socke festgeknotet. Da fällt dann ab und zu ein Kabel ab und nix geht mehr. Naja, letztendlich sind wir auch wieder angekommen, und auf diesen Dingern mitfahren macht bedeutend mehr Spaß als im vollklimatisierten und gut gefederten Jeep. Die Leute hinterdrauf waren einfach nur nett. Ganz einfache Leute, Bauern aus der Gegend, die von ihren Feldern wieder ins Dorf gefahren sind. Gerd hat ein paar Witze über Gringos gemacht und sofort war das Eis gebrochen. So, noch ein paar Bilder, morgen geht es nach Sapecho, dann gibt es nur noch Modemanschluss. Dafür ist es dort wärmer, hier in La Paz frier ich mir echt nen Arsch ab.

La Paz von Ovejuio aus gesehen. Irgendwo in der Mitte ist unser Hotel, ganz links am Rand der DED und oben links der Flughafen El Alto.

Huni, Ausgangsort der Wanderung, von großartiger Landschaft umgeben.

Der Illimani bewacht den Eingang zur Schlucht.

Gerd und der Obelisk am Eingang zur Schlucht. Sieht doch gut zum Klettern aus, oder ?

Tja allerdings, wo will man hier ne Sicherung legen. Selbst Felshaken müssten mindesten 1m lang sein, um hier zu halten.

und noch ein Blick auf die typischen kleinen Terassenfelder, auf denen im Moment nur Zwiebeln stehen.

Montag, 25.07.2005

Die Fahrt nach Sapecho

Eigentlich sollte es um 5.00 Uhr mit unserer Fahrt in die Yungas und nach Sapecho losgehen. Da wir aber in Lateinamerika sind und man sich natürlich anpasst, sind wir erst gegen 10.30 Uhr losgefahren. Erstmal ging es ganz malerisch über den La Cumbre-Paß, und dann ab in die Yungastäler des östlichen Andenabhangs. Dort standen die Wolken aus dem Amazonastiefland, so das wir so gut wie nix vom Weg gesehen haben. Es war matschig, neblig und öfters kam uns ein Auto entgegen. Das besondere an der Strecke ist, das man den Berg runter zu links fahren muss, weil man dann besser sehen kann, wieviele Zentimeter es noch bis zum Abhang sind. Es passieren auch ständig Unfälle mit vielen Toten. Wenn man die Reifen oder manchmal auch Bremsen der Busse, Lkws und Pkw sieht, die dort regelmäßig fahren, wundert man sich, das nicht mehr passiert. Und zwischendurch noch Touris auf Fahrrädern, die das als ultimativen Kick auch noch teuer bezahlen, wenn ihnen in einer Kurve ein Lkw entgegenkommt. Loco !

am La Cumbre-Paß (4700m)

Die Nebel steigen aus den Yungas hinauf

Die Straße nach Coroico und Caranavi, hier schon der entspannte Teil

Angekommen sind wir ganz easy nach 6,5h. Im Moment wird auch eine neue Straße gebaut, die einen erheblichen Sicherheitsgewinn bringen soll. Mal sehen, wie lange die Arbeiten noch dauern werden. Ich weiß auf jeden Fall, das ich nicht so schnell in einen Bus von La Paz in die Yungas einsteigen werde. Hochzu fährt man innen am Berg, da kann nichts passieren. Und wenn ich selber fahre bzw. wir mit unseren eigenen Autos, habe ich wenigstens ein bisschen Einfluss auf die Risiken bzw. weiß, das die Wagen vernünftig gewartet sind.

Mittwoch, 27.07.2005

Sapecho

Seit Montag abend sind wir in Sapecho und haben jetzt schonmal ein bisschen von der Gegend und von den Projekten, in denen wir arbeiten sollen, mitbekommen. Bis jetzt sehr interessant und auch Herbert, der "Mentor" von Armin ist ein sehr netter Typ. Er lebt seit fast 30 Jahren in Bolivien und kennt die Gegend fast wie seine Westentasche.

Unser Häuschen ist ganz nett, wir haben im Garten Orangenbäume, Kokospalmen, Papaya, Chirimoja und bald bekommen wir unsere handgewebten Hängematten, die wir bei einer Frau im Dorf bestellt haben. Es ist ein Häuschen, das der DED vor knapp 20 Jahren hier gebaut hat. Eine richtig große Küche mit "Esszimmer" dran und 4 kleine Räume, in denen neben uns auch noch einige Praktikanten oder Diplomanden wohnen könnten. Dazu ein Palmwedeldach und einige Vorräte an Caipirinha-Grundzutaten von unseren Vorgängern. Obwohl natürlich die Kokosnüsse nach Pina Colada rufen. Es gibt auch Strom, ab und zu Telefon und Internet, mehr oder wenig fließendes Wasser und nette Nachbarn, die gleichzeitig unsere Kollegen sind. Ab morgen kommt dann noch eine Frau aus dem Dorf, die 3x die Woche bei uns sauber machen und Wäsche waschen wird. Erst waren wir etwas unsicher, ob wir sie nehmen sollen, von wegen der weiße Mann, der sich mal eben ein Putze leistet usw.. Aber letztendlich geben wir der Frau damit ein Einkommen, auch wenn es für europäische Verhältnisse ein Witz ist. Wir werden ihr 300 Bolivianos geben, etwa 30,- Euro. Und damit ist sie für hiesige Verhältnisse schon gut bezahlt. Herbert meinte, es wäre so etwas wie eine soziale Verpflichtung für verhältmäßig schwerreiche Gringos wie uns, unser Geld auch durch Konsum bei lokalen Händlern und Anstellen von Tagelöhnern, Handwerkern und Hausangestellten in die Region zu bringen. Und ich denke, damit hat er Recht. Unser Häuschen bräuchte auch mal ein paar Renovierungsarbeiten, da werden wir wohl auch mal ein paar lokale Handwerker ansetzen. Wir waren heute auch bei einem Schreiner gewesen, der einfache, schöne und vor allem solide Stühle herstellt. Mal sehen, vielleicht werde ich noch ein paar für unsere Küche in Dresden anfertigen lassen.

Sonntag 31.07.2005

Tja, die erste Woche ist fast rum und viel habe ich hier noch nicht geleistet. Freitag früh sind Herbert, Gerd und Jose Luis (mein einheimischer Partner, der mir noch am ehesten sagen könnte, was losgehen soll) nach La Paz gefahren. Jose Luis kommt Dienstag wieder, Gerd wahrscheinlich auch. Dann werde ich hoffentlich endlich mal klarer wissen, was mit mir werden soll. Eigentlich soll ich auch auf Gerds Hund aufpassen, ein bisschen mit ihm Gassi gehen usw. Aber der traut sich überhaupt nicht aus dem Haus. Bzw. knurrt mich an, wenn ich näher als 1m an seinen Schlafplatz komme. Gestern hatte ich ihn fast soweit, das er sich von mir streicheln lässt, da bellt er mich nach der 2. Sekunde gleich wieder an und beisst mich fast. Das kann noch was werden. Gestern hat noch eine Kollegin aus Rurrenbaque (das liegt 10h den Rio Beni runter oder ca. 4h Schüttelfahrt) hier auf der Durchreise nach La Paz hier Halt gemacht. sie ist auch beim Nachwuchsprogramm des DED und ihr Mentor ist am 2. Tag ihrer Anwesenheit erstmal in Urlaub gefahren. Wenigstens hat er den Partnern noch Bescheid gesagt, das sie sie mitnehmen sollen und sie ein bisschen einführen sollen. Abends waren wir in einer schön klassischen Dorfdisko im Nachbardorf. Erst dachte ich ja, die Latinos und Latinas tanzen alle wie kleine Götter den Salsa und Merengue, aber erstens kam das gar nicht so oft und zweitens kann das hier fast niemand richtig tanzen. Also konnte ich mich mit meinen nicht vorhandenen Tanzkünsten diesbezueglich auch nicht blamieren und wir haben zusammen mit ein paar Freunden bis früh um 3.00 Uhr das Tanzbein geschwungen. Heute war Armin dann beim Fussball eingeplant und er hat am Fruehstückstisch noch ziemlich fertig ausgesehen. War er dann nach dem Spiel erst recht und seitdem schläft er (jetzt fast 5h). Jetzt kam noch eine andere Deutsche vorbei, die sich hier bei der Kakao-Cooperative El Ceibo (leckere Schoki von denen gibts in Dtl. im Eine-Welt-Laden) ein Praktikum organisiert hat und wir haben noch ewig geplaudert und zum Mittag gegessen. Naja, so geht das Wochenende rum. Autofahren dürfen wir noch nicht, da unsere bol. Papiere noch nicht da sind. Und wenn man am Fluss mal eben baden will, geht das nicht, weil wir ohne Papiere nicht mit dem Auto an der Polizeisperre vorbei kommen. Und ohne Auto ist es zu weit. Ringsherum sind auch einige Hügelketten, auf die ich irgendwann mal draufsteige, um das touristische Potential der Region zu erkunden. Man hat dann eine ziemlich fantastische Weitsicht, wenn denn mal Sicht ist.

Anschließend noch ein paar Fotos von unserem kleinen Reich und dann wars das schon für heute.

unser Häuschen, hinter dem Busch ist die Küche. Unsere Zimmer sind hinten raus, zur Straße

Der kleine Hausgarten für die Vitamin- und Cocktail-Grundstoffversorgung

es gibt natürlich auch Mitbewohner

Die Kochecke unseres kleinen Hüttchens

Und noch kurz Armin beim Fussballspiel

Sonntag 08.08.2005

Sapecho, bzw. Region Alto Beni

Tja, immer noch Sapecho. So schnell komm ich hier nicht wieder weg. Die letzte Woche haben wir endlich mal einige sinnvolle Sachen gemacht, z.B. eine kleine Forstinventur (die so gut wie nix mit einer dt. Forstinventur zu tun hat), haben Baumsamen gesammelt und waren ganz patriotisch bei den Feierlichkeiten zum 180. Nationalfeiertag Boliviens dabei. Aber der Reihe nach.

Montag war ich mit einem der Techniker von El Ceibo, der Kakaocooperative hier, im Primärwald gewesen, um eine 3 Hektar große Parzelle aufzunehmen, die demnächst genutzt werden soll. Kurz für die forstlich Interessierten unter den Lesern: Es werden auf dieser Parzelle alle Bäume mit einem Durchmesser größer als 50cm aufgenommen, die Art per Rinde anschnitzen und in die Krone schauen bestimmt und noch die Eckpunkte der ganzen Parzelle per GPS festgehalten (wenn man denn genügend Satellitenabdeckung im Urwald hinbekommt). Das ganze kommt in eine Tabelle, dann wird von jeder Art noch je ein Baum als Samenbaum bestimmt und aus der Nutzungsliste gestrichen und das stehende sowie das nutzbare Volumen wird berechnet. Da die Bäume vor Ort mit der Motorsäge in kleine handliche Blöcke von ca. 4x5 Zoll und ca. 1,60m Länge geschnitten werden, wird mit Einschnittverlusten von 45% gerechnet. Und diese Blöcke werden dann von den Bauern bzw. Tagelöhnern auf den Schultern rausgetragen. Rückegassen, Waldwege und die entsprechende Rücketechnik gibts hier nicht. Ich werde bestimmt später auch noch einige Fotos davon reinstellen. Der Primärwald an sich ist sehr abwechslungsreich, absolut interessant und nur fast undurchdringlich. Aber es gibt so kleine fiese Insekten, die einen ständig stechen. Einmal bin ich irgendwie mit dem Arm in ein Wespennest oder sowas gekommen, das hat höllisch gebrannt, als die Biester mit gebissen haben. Das waren nämlich eher sowas wie Bremsen, die haben richtige Hautstückchen rausgebissen. Die Beulen sahen dann auch am 3. Tag noch ziemlich dick aus.

Dann habe ich erfahren, das es einen Techniker gibt, der auf die Bäume steigt, um Samen zu sammeln. Da ich hier im Dschungel eher wenig Möglichkeiten zum Klettern habe, aber meine komplette Ausrüstung mitgeschleppt habe, habe ich mich für die nächsten Tage mit Ihm zum Baumklettern und Samen sammeln verabredet. Dann ging es mit dem Motorrad hoch in die Berge, an Bananen-, Papaya- und Zitrusplantagen vorbei bis der Weg sogar für das Mopped zu eng wurde. Dort sind wir dann mit Petzl-Steigklemmen auf einen Roble-Baum gestiegen, haben kräftig geschüttelt und haben dann stundenlang die Samen vom Boden aufgesammelt. Das Klettern an sich war leider viel zu kurz, auch wenn es ausreichend anstrengend war. Aber die Rumsucherei war echt der Hammer. Mir tat nach 2h tierisch der Rücken weh und wir hatten erst ein Viertel aufgesammelt. Nach 6h Sammeln war ich absolut tot. Aber wir mussten ja noch zurück. Den Sack mit den Samen (47kg) hinten aufs Motorrad, mich noch drauf und dann die Berge wieder runter. Abundzu bin ich abgestiegen und habe geschoben, weil der kleine Motor (200cm³) es sonst nicht die kleinen Steigungen hochgeschafft hätte. Abends bin ich nur noch ins Bett gefallen. Am nächsten Tag dann wieder früh raus, diesmal zum Sammeln von Mara (Mahagoni, Swietenia Macrophylla). Die sind zum Glück etwas größer und leichter zu sammeln, außerdem waren wir mit dem Jeep unterwegs und die Bäume standen mitten in einer Orangen- und Grapefruitplantage, so daß wenigstens die Flüssigkeitszufuhr gesichert war. Es hat allerdings wieder gereicht, um mich gleich nach dem Abendessen ins Bett zu bringen.

Nivardo steigt vor

und Robert mal wieder im Nachstieg

Früchte von Mara (Mahagoni, Swietenia Macrophylla)

Dann kam auch schon das Wochenende und damit der große Nationalfeiertag, für den die Kinder seit 2 Wochen marschieren und musizieren üben. 180 Jahre Bolivien. Ein Tusch bitte. Eigentlich ist der Nationalfeiertag am 6. August, das war Samstag. Aber es ging schon am Freitag abend los. Ein kleines Desfile aller Institutionen des Dorfes. D.h. Schulen, Kooperativen, Taxifahrervereinigung, Fussballmannschaften, Nachbarschaftsverein, Bauernvereinigungen usw.. Jeder mit Fahne, die Kinder mit Lampions, die Taxifahrer natürlich mit geschmückten Autos, und natürlich auch alle anderen auf der Strasse. Warum das aber bereits alles Vorabend geschieht, konnte mir niemand sagen. Denn am Samstag das ganze nochmal. Diesmal sind wir mitmarschiert, von unserer Kollegin Franziska, die eigentlich in Rurrenabaque arbeitet, dazu überredet. So ganz haben wir bei den Ceibolitos nicht farblich reingepasst, auch wenn wir extra grüne T-Shirts angezogen haben. Das schlimmste in meinen Augen und Ohren waren dann die ganzen Gedichte, Lieder und Reden por la patria, für das Vaterland. Hat mich sehr an frühere Demonstrationen in der DDR zum 1.Mai oder zum 7. Oktober erinnert. Die Bolivianer können z.B. nicht verschmerzen, das die Chilenen ihnen im Salpeterkrieg 1879-1883 den Meereszugang abgenommen haben und wollen den immer noch zurück. Schlimmer als die schlesisches Vertriebenenvereine in Bayern. Und diese Vaterlandsstolzgedichte, furchtbar. Wenn man dann noch bedenkt, wie alle Bolivianer (inkl. die politische Führung und die Beamten) den Staat und die anderen Bolivianer ständig bescheißen und korrupt sind, kann man leider nur mit dem Kopf schütteln. Naja, wir standen nun einmal da mittendrin und konnten nicht weg. Abends gab es dann noch ein künstlerisches Programm, das von den Schulen eingeübt war, richtig mit traditionellen Tänzen und Kostümen. Das war ziemlich interessant, leider hat die Kamera da nicht soviel hergegeben.

Der Vorabend des 06.August

an den gerade zugemachten Löchern des neuen Abwassersystems in Richtung Plaza

2 DED-Kooperanten und eine Praktikantin inmitten der ganzen El-Ceibo-Mannschaft (es war Pflicht für die anderen, mit zu marschieren, sonst hätte es einen Tag weniger Lohn gegeben)

Noch schnell etwas Verschönerung für die Gringos, bevor es zum Hymnesingen ging.

Da wurden jetzt 2h lang Lieder, Gedichte und Reden vorgetragen. Wenn man genau hinschaut, sieht man mich in der Mitte über dem Plakat rausschauen.

Tinku, ein traditioneller Tanz aus dem Altiplano, der Region, aus der die meisten Siedler der Region und Sapechos kommen. Zusammen mit anderen Tänzen und kleinen Theaterstücken von der Schule aufgeführt.

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